Goethe an Christiane Vulpius
Von Feierabend-Mitglied Dienstag 27.08.2024, 08:23
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Bei Verdun, den 10. September 1792
Ich habe Dir schon viele Briefchen geschrieben und weiß nicht, wenn sie nach und nach bei Dir ankommen werden. Ich habe versäumt, die Blätter zu numerieren, und fange jetzt damit an. Du erfährst wieder, daß ich mich wohl befinde. Du weißt, daß ich Dich herzlich lieb habe. Wärst Du nur jetzt bei mir! Es sind überall große breite Betten, und Du solltest Dich nicht beklagen, wie es manchmal zu Hause geschieht. Ach! mein Liebchen! Es ist nichts besser, als beisammen zu sein. Wir wollen es uns immer sagen, wenn wir uns wieder haben. Denke nur! Wir sind so nah an Champagne und finden kein gut Glas Wein. Auf dem Frauenplan soll's besser werden, wenn nur erst mein Liebchen Küche und Keller besorgt.
Sei ja ein guter Hausschatz und bereite mir eine hübsche Wohnung. Sorge für das Bübchen und behalte mich lieb.
Behalte mich ja lieb! denn ich bin manchmal in Gedanken eifersüchtig und stelle mir vor: daß Dir ein andrer besser gefallen könnte, weil ich viele Männer hübscher und angenehmer finde als mich selbst. Das mußt Du aber nicht sehen, sondern Du mußt mich für den besten halten, weil ich Dich ganz entsetzlich liebhabe und mir außer Dir nichts gefällt. Ich träume oft von Dir allerlei konfuses Zeug, doch immer, daß wir uns liebhaben. Und dabei mag es bleiben!
Bei meiner Mutter hab' ich zwei Unterbetten und Kissen von Federn bestellt und noch allerlei gute Sachen. Mache nur, daß unser Häuschen recht ordentlich wird, für das andre soll schon gesorgt werden. In Paris wird's allerlei geben, in Frankfurt gibt's noch ein zweites Judenkrämchen. Heute ist ein Körbchen mit Likör abgegangen und ein Päckchen mit Zuckerwerk. Es soll immer was in die Haushaltung kommen. Behalte mich nur lieb und sei ein treues Kind, das andre gibt sich. Solang ich Dein Herz nicht hatte, was half mir das übrige? jetzt da ich's habe, möcht' ich's gern behalten. Dafür bin ich auch Dein.
Küsse das Kind, grüße Meyern und liebe mich.