Heinrich Heine an Moses Moser
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Feierabend-Mitglied
10.12.2023, 08:57
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Verdammtes Hamburg, d. 14. Dez. 1825
Theurer Moser! Lieber gebenedeiter Mensch!
Da sitz ich nun auf der Abc-Straße, müde vom zwecklosen Herumlaufen, fühlen und denken, und draußen Nacht und Nebel und höllischer Spektakel, und groß und klein läuft herum nach den Buden, um Weihnachtsgeschenke einzukaufen. Im Grunde ist es hübsch, daß die Hamburger schon ein halbes Jahr im voraus dran denken, wie sie sich zu Weihnacht beschenken wollen.
Auch du, lieber Moser, sollst dich über meine Knickrigkeit nicht beklagen können, und da ich just nicht bey Casse bin und dir auch kein ordinäres Spielzeug kaufen will, so will ich dir etwas ganz apartes zum Weihnacht schenken, nemlich das Versprechen: daß ich mich vor der Hand noch nicht todtschießen will.
Wenn du wüßtest, was jetzt in mir vorgeht, so würdest du einsehen, daß dieses Versprechen wirklich ein großes Geschenk ist, und du würdest nicht lachen, wie du es jetzt thust, sondern du würdest so ernsthaft aussehen, wie ich in diesem Augenblick aussehe...
Lebe wohl, schreib mir bald Antwort, und sey überzeugt, daß ich dich liebe und sehr verdrießlich bin.
Dein Harry
War es die Perspektivlosigkeit, die Ratlosigkeit, die Heine veranlasste einen solchen Brief zu schreiben? Von Versen und Theaterstücken konnte er sich nicht ernähren, und manche Berufe waren nur für Christen erlaubt. Um als Jurist zu arbeiten, musste man protestantisch sein. Deshalb ließ er sich später taufen und aus Harry wurde Christian Johann Heinrich = Heinrich Heine. Warum nur wurden jüdische Mitbürger immer so feindlich behandelt?