Hölderlin an Suzette Gontard
Von Feierabend-Mitglied Samstag 13.04.2024, 10:58 – geändert Samstag 13.04.2024, 11:00
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Erinnerst Du Dich unserer ungestörten Stunden, wo wir und wir nur umeinander waren? Das war Triumph! beede so frei und stolz und wach und blühend und glänzend an Seel und Herz und Auge und Angesicht, und beede so in himmlischem Frieden nebeneinander! Ich hab es damals schon geahndet und gesagt: man könnte wohl die Welt durchwandern und fände es schwerlich wieder so. Und täglich fühl ich das ernster.
Gestern nachmittag kam Muhrbeck zu mir aufs Zimmer. Die Franzosen sind schon wieder in Italien geschlagen, sagt' er. Wenns nur gut mit uns steht, sagt ich ihm, so steht es schon gut in der Welt, und er fiel mir um den Hals, und wir küßten uns die tiefbewegte freudige Seele auf die Lippen, und unsre weinenden Augen begegneten sich. Dann ging er. Solche Augenblicke hab ich doch noch. Aber kann das eine Welt ersetzen? Und das ists, was meine Treue ewig macht. In dem und jenem sind viele vortrefflich.
Aber eine Natur, wie Deine, wo so alles in innigem unzerstörbarem lebendigem Bunde vereint ist, diese ist die Perle der Zeit, und wer sie erkannt hat, und wie ihr himmlisch angeboren eigen Glück dann auch ihr tiefes Unglück ist, der ist auch ewig glücklich und ewig unglücklich.
(aus dem Buch „Behalten Sie mich immer in freundlichem Angedenken“ – Briefe von und an Friedrich Hölderlin)