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Paula Modersohn-Becker an Rainer Maria Rilke

Von Feierabend-Mitglied Donnerstag 05.09.2024, 09:31 – geändert Donnerstag 05.09.2024, 09:32

12. November 1900

Ich finde, wir sollen von unserer armen Seele nicht immer Sonntagsstimmung verlangen. Und dann finde ich, jeden Akt, den wir tun, das sind wir, und man soll Achtung davor haben. Ich erkenne keine Norm an, nicht Norm Rilke, Norm Becker etc., sondern fasse den Menschen auf in seiner mannigfachen Vielfarbigkeit oder versuche es zu tun, in Demut und habe Achtung davor und habe auch Achtung vor Ihrem Briefe.

Meine Seele feiert heute auch keinen Sonntag. Sie weiß auch nicht, was sie heute feiert oder nicht feiert. Das weiß ich eigentlich nie. Sie ist verschleiert heut. Ein Nebel liegt auf ihr und macht sie unbeweglich. Und trotzdem schreibe ich Ihnen. Und Sie erlauben den Seelenalltag, nicht wahr? Und dulden ihn und schätzen ihn nicht gering?

Und dies ist alles, alles Nebensache und kleiner Kram und Sachen, womit man die Zeit totschlägt. Das Eine für mich, das Ganze, Große, das Feststehende für mich ist meine Liebe zu Otto Modersohn und seine Liebe zu mir. Und die ist was Wundervolles und segnet mich und überströmt mich und singet und geiget um mich und in mir. Und ich hole tief, tief Atem und gehe dahin wie im Traum. Sie wissen davon, nicht wahr?

Es ist schon lange; schon vor Hamburg. Ich habe Ihnen nicht davon gesprochen. Ich dachte, Sie wüßten. Sie wissen ja immer, und das ist so schön. Und heute mußte ich es Ihnen doch mit Worten nennen und taufen und Ihnen es fromm in die Hände legen, auf daß Sie Pate stehen. Denn Ihre Hände bringen Gutes.

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