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Das Bindenschiff

Von Schachspieler Donnerstag 02.12.2021, 14:48


Das Bindenschiff
Mein kleiner Sohn wollte noch einmal die Geschichte von dem Unfall auf dem Wasser von mir erzählt bekommen. Zunächst erklärte ich ihm amüsiert, dass das Bindenschiff ein Binnenschiff war, weil es gar kein Bindenschiff gibt und dass das Binnenschiff so heißt, weil es auf Flüssen fährt und nicht auf hoher See. Der Unfall 1974 auf der Weser hätte durchaus böse ausgehen können. Ich saß im Bug eines Rennachters, der die Weser abwärts mit der Strömung und von kräftigen Ruderschlägen getrieben, schnell unterwegs war. Es war schon dunkel geworden und kurz hinter der "Großen Weserbrücke", heute "Wilhelm-Kaisen-Brücke", stießen wir mit einem entgegenkommenden Binnenschiff zusammen. Durch die vielen Straßenlampen auf der Brücke, die sich im Wasser spiegelten, und durch den Straßenlärm der Autos auf der Brücke hatte unser Steuermann das Binnenschiff nicht bemerkt. Ein Schiff hat vor seinem Bug einen großen "toten Bereich", der nicht einsehbar ist und so hatte der Binnenschiffer uns auch nicht sehen können, selbst wenn wir eine Lampe vorschriftsmäßig am Bug gehabt hätten. Jedenfalls wurde ich von einem gewaltigen Gewicht unter das Wasser gedrückt. Der Maschinenlärm des Schiffes ist unten im Wasser viel lauter als oberhalb der Wasserlinie und erzeugte bei mir leichte Panik. Die Angst vor der Schraube des Schiffes war groß! Durch den geringen Tiefgang des unbeladenen Binnenschiffs konnte ich mich schnell von dem Schiff lösen, wusste aber nicht, ob ich nach links oder rechts tauchen sollte, um der Schraube zu entgehen. Also tauchte ich nach unten, bis ich den Eindruck hatte, dass das Schiff nicht mehr über mir war, der Maschinenlärm schien mir leiser geworden zu sein. Ich tauchte auf, schnappte nach Luft, bemerkte kein Schiff mehr, hörte nur Geschrei von meinen Ruderkameraden. Ein Teil der Mannschaft war an das linke Ufer geschwommen, der andere Teil an das rechte Ufer. So war auch nicht gleich klar, ob alle wohlbehalten die Ufer erreicht hatten. Ich drohte kurz vor dem Erreichen des linken Ufers unterzugehen, wurde dann aber an den Schultern gepackt und hörte eine Stimme sagen, "hiergeblieben", es war mein Ruderkamerad Jens. Dann war auf der Weser und an den Ufern was los! Die Wasserschutzpolizei war eingetroffen, die Feuerwehr, die Polizei an Land und diverse Rettungswagen vom Roten Kreuz auch. Die Fußgänger auf der Brücke hatten den Unfall bemerkt und Alarm geschlagen. Die Mitnahme ins Krankenhaus lehnten wir Ruderer und unser Steuermann ab, liefen zum Verein zurück und sprachen unter der Dusche unsere Aussagen für die Polizei schon mal ab, wegen der fehlenden Beleuchtung und so. Der geliehene Achter war natürlich ein Totalschaden. Um das Landesmeisterschaftsrennen am nächsten Tag zu gewinnen, mussten wir uns ein anderes Boot besorgen. Der Trainer meinte, "ein guter Ruderer rudert in jedem Gerät!"
Mein kleiner Sohn hatte sich die Geschichte wieder einmal andächtig angehört, für ihn war ich ein Held.

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