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Die Welt von Auschwitz und Workuta ist unteilbar.

Von Grunewaldturm Samstag 11.10.2025, 10:22



Das Leben des Raul Wallenberg


Ein tragisches Schicksal ließ Raoul Wallenberg zum Symbol dieser Unteilbarkeit werden.
Raoul Wallenberg wurde am 4. August 1912 in Stockholm geboren. Sein Vater, ein schwedischer Marineoffizier, war drei Monate vor Raouls Geburt 23jährig an Krebs gestorben. Raouls Mutter May wurde bei der Erziehung ihres Kindes tatkräftig durch Raouls Großvater Gustaf Wallenberg unterstützt. Dieser war als Diplomat in Japan, China und der Türkei tätig. 1918 heiratete Raouls Mutter Fredrik von Dardel, den späteren Verwalter von Schwedens größtem Krankenhaus. Aus dieser Ehe gingen zwei Kinder hervor, Guy und Nina, zu denen Raoul eine tiefe Zuneigung hatte.

Raoul zeigte ein außergewöhnliches Interesse an Gebäuden. Wenn neue Gebäude in Stockholm errichtet wurden, beobachtete er den Bauplatz und unterhielt sich mit den Arbeitern. Mit zehn Jahren las Raoul die 35bändige "Nordic Encyclopedia" vollständig durch, auch die Bibel hat er als Kind gelesen. Raoul wurde kosmopolitisch erzogen. Jeden Sommer verbrachte er im Ausland, zur Vertiefung seiner Sprachkenntnisse. So kam er nach England, Frankreich und Deutschland.

Bereits im Alter von zwölf Jahren unternahm er allein eine Reise von Stockholm zu seinem Großvater nach Istanbul. Großvater Gustaf Wallenberg behandelte seinen Enkel wie einen Erwachsenen, sie führten Gespräche über Politik und Wirtschaft. Seine Erziehung wirkte sich auf das Verhältnis zu seinen Klassenkameraden aus. Ein Klassenkamerad von Raoul erinnerte sich:

"Es brauchte für uns keine lange Zeit, um zu verstehen, dass Raoul sehr verschieden von uns war. Seine Erscheinung war ungewöhnlich - seine großen dunklen Augen, sein welliges braunes Haar sowie seine spezielle Art sich auszudrücken und sein enormes Interesse auf jedem Gebiet.

Am Anfang waren wir, seine Mitschüler, verwundert über ihn. Wir konnten nicht verstehen, wie jemand so wenig Interesse an Fußball und an Streichen haben konnte. Dieser junge Träumer, wie wir ihn nannten, erreichte bald einen hohen Grad an Respekt. Während Diskussionen wurde deutlich, wie weit sein Spektrum an Interessen reichte und wieviel mehr er über alles wusste als wir."

Als Raoul die Schule verließ, sprach er mehrere Sprachen, darunter Englisch und Deutsch. Nach Beendigung der Oberschule leistete er einen neunmonatigen Militärdienst ab. Über ein Ereignis aus dieser Zeit berichtete ein Kamerad von Wallenberg:

"Raoul war noch keine 18 Jahre alt, und somit das jüngste Mitglied von unserem Bataillon. Er hatte großes Interesse an seinen militärischen Übungen und wurde ein "perfekter" Soldat. Er übte einen großen Einfluss auf seine Kollegen aus, so leisteten wir es ebenso, obwohl wir mit der Einstellung in die Armee gegangen waren, den Wehrpflichtdienst halbherzig zu nehmen. Sehr bald bemerkte Raoul, dass seine Vorgesetzten kein Interesse oder Anerkennung für seinen Eifer zeigten, so wurde er temperamentvoll und verbrachte seine Zeit hauptsächlich damit, seine Vorgesetzten zu ärgern.

Ich erinnere mich, als zwei Mitglieder der Gruppe schrecklich betrunken, Fenster ein schmeißend und Stühle zerbrechend, von einem Nachtausgang zurückkamen. Raoul tat alles, um sie zu schützen und ihre Bestrafung zu verhindern. Er selbst trank keinen Alkohol. Er war darin erfolgreich, ihren Freispruch zu erreichen und er organisierte einen komischen Zeremonien-Marsch. Die zwei Gefangenen wurden in vergoldeten Sesseln zu der Zelle gebracht und nach der Verkündigung ihrer Urteile war eine generelle Feier. Die Offiziere waren der Ansicht, dass Raoul, der Organisator dieser Demonstration, ein Kommunist sein müsste. Von nun an wurden seine Berichte sparsam. Raoul jedenfalls rächte sich auf seine Weise. Nach Beendigung seiner Ausbildung und seiner Postierung, zeigte er, was für ein exzellenter Soldat er war, sodass seine Militärzeit mit den bestmöglichen Empfehlungen endete."

Nach Beendigung seines Militärdienstes studierte Wallenberg für kurze Zeit Rechtswissenschaften in Frankreich.

Von 1931 bis 1935 studierte Raoul in Michigan/USA an der Ann Abor Universität. In den Semesterferien reiste er viel, unter anderem nach Arizona, Kalifornien und Mexiko. Sein Architekturstudium schloss er 1935 mit Auszeichnung ab. In Stockholm nahm er an einem Architektenwettbewerb teil, bei dem er den 2. Platz belegte.

Auf Wunsch seines Großvaters arbeitete Raoul anschließend für ein halbes Jahr in Kapstadt/Südafrika. Dem schloss sich 1936 ein sechsmonatiger Aufenthalt in Haifa an. Dort begann er eine Banklehre bei der Holland Bank.

Sein Großvater hätte es gerne gesehen, wenn Raoul der Familientradition entsprechend Bankier geworden wäre. Die Familie Wallenberg ist Schwedens bekannteste Bankiersfamilie. Raoul merkte aber früh, dass dies nicht das Richtige für ihn war.

"Ich bin vielleicht überhaupt nicht für das Bankwesen geeignet", schrieb Raoul an seinen Großvater. "Ich glaube, meinem Charakter entspricht eine positive Einstellung zum Leben eher, als hinter einem Schreibtisch zu sitzen und "nein" zu den Leuten zu sagen."

In Palästina kam Raoul zum ersten Mal in Kontakt mit Flüchtlingen aus Hitler-Deutschland. So erfuhr er von den beginnenden Judenverfolgungen in Deutschland. Wallenberg kehrte nach Stockholm zurück. Viveca Lindfors erinnert sich, wie sehr ihm das Gesehene bewegte.

Lindfors:

"Er fing an, sehr erregt über die Juden und Deutschland und über die Gräuel zu sprechen, die er offenbar gesehen hatte. Ich sehe das noch ganz deutlich vor mir, das altmodische, elegante Büro, in dem er auf mich einredete. Ich war noch sehr jung und ziemlich verstört über die Erregung, mit der er sprach, und den Gegenstand, über den er sprach. Ich weiß noch, wie ich dachte: Das erzählt er mir alles nur deshalb, damit er mir leidtut und damit ich ihm dann in die Arme sinke. Das bedrückt mich jetzt sehr, aber damals kam es mir wirklich so vor. Ich glaubte kein Wort von dem, was er sagte - wahrscheinlich, weil ich gar nicht wissen wollte, was wirklich vorging."

Durch Vermittlung seines Onkels Jacob Wallenberg, welcher Kontakte zu Carl Friedrich Goerdeler vom deutschen Widerstand hatte, arbeitete Raoul in der "Mellaneuropeiska Handels AB", einer Import- und Exportfirma für Delikatessen. Nach acht Monaten wurde er Außenhandelsdirektor und Geschäftspartner von Koloman Lauer, einem ungarischen Juden.
Lauers Familie lebte noch in Budapest. Im Auftrag der Firma reiste Wallenberg in verschiedene von Deutschland besetzte Länder, 1942 und 1943 auch nach Ungarn.

Während der zweiten Hälfte des Jahres 1944 geriet er durch sein Wirken in Budapest, wo er viele Tausende von Menschen vor dem sicheren Tode bewahren und ihnen das Leben retten konnte, in das Räderwerk der abscheulichsten Maschinerie des totalitären Systems im Dritten Reich. Ab Januar 1945 wurde er als Gefangener der Sowjetunion, unter deren Schutz er sich freiwillig gestellt hatte, ein Opfer des stumpfen, sturen Robot des roten Totalitarismus.

Raoul Wallenberg war weder ein Herrscher, noch war er damals der Nationalheld seines Landes. Zum Nationalhelden ist er erst später durch seinen opferbereiten, furchtlosen Einsatz für die Verfolgten des Jahres 1944 geworden. Er war ein schwedischer Bürger und Architekt, aus dem ein Diplomat wurde, als man ihn zum Sekretär der Königlich-Schwedischen Gesandtschaft in Budapest machte, damit er sein Werk im Dienst der Menschlichkeit überhaupt beginnen konnte. Als Diplomat reiste er aus dem neutralen Schweden nach Ungarn, um dort — mehr oder minder ganz auf sich selbst gestellt — auf eigene Faust sein Hilfswerk zu beginnen. Obwohl er sich bald durch die Trabanten des SS-Obersturmbannführers Eichmann, des Großinquisitors im Dritten Reich, von allen Seiten verfolgt und sogar vom Tode bedroht sah, setzte er seine Arbeit fort. Wie der schwedische Kabinettsekretär Arne Lundberg bei der Übertragung des Schwedischen Rundfunks am 7. Februar 1957 im „Echo des Tages“ sagte, hat es in der Geschichte Schwedens niemals eine Persönlichkeit gegeben, die auf so unmittelbare Art und Weise und ganz aus eigener Initiative buchstäblich das Leben von Tausenden zu retten vermochte, wie eben Raoul Wallenberg. Die Bedeutung dieser Worte wird erst dann klar, wenn man sich vergegenwärtigt, dass gerade Schweden nicht arm an Persönlichkeiten ist, die sich selbstlos und opferbereit in den Dienst der Menschlichkeit gestellt haben. Während des ersten Weltkrieges wurde zum Beispiel die Schwedin Elsa Brandström als „Engel der Gefangenen“ berühmt.

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