Der Kalte Krieg
Von
Grunewaldturm
30.11.2025, 13:45
Du möchtest die Antworten lesen und mitdiskutieren? Tritt erst der Gruppe bei. Gruppe beitreten
Von
Grunewaldturm
30.11.2025, 13:45
Du möchtest die Antworten lesen und mitdiskutieren? Tritt erst der Gruppe bei. Gruppe beitreten
Heutzutage wird zu viel über die Freiheit von Meinungen diskutiert – und zu wenig darüber, wie diese überhaupt zustande kommen. Und noch weniger darüber, wieviel Prozent der Menschen überhaupt eine eigene Meinung haben.
Aufgrund meiner angeborenen unstillbaren Neugierde und meiner kritischen Denkungsart war es mir früh möglich, Information von Agitation zu unterscheiden.
Aber es war wirklich alles andere als einfach.
Damals haben beide Teile unseres Landes gleichermaßen gegeneinander agitiert.
Bei uns im Westen war es Gerhard Löwenthal (* 8. Dezember 1922 † 6. Dezember 2002).
Im „Dritten Reich“ wegen seiner jüdischen Herkunft verfolgt, profilierte er sich im Kalten Krieg als antikommunistischer Radio- und Fernsehjournalist. Große Bekanntheit erlangte er als Moderator des „ZDF-Magazins“ von 1969 bis 1987, in dem er als scharfer Kritiker des SED-Regimes sowie der „Neuen Ostpolitik“ der sozial-liberalen Bundesregierungen unter Willy Brandt (1913–1992) hervortrat.
Auf der anderen Seite agierte Karl-Eduard von Schnitzler (* 28.4.1918 Berlin-Dahlem † 20.9.2001 Zeuthen bei Berlin).
Seine Propagandasendung "Der schwarze Kanal" war das Bösartigste, was das DDR-Fernsehen zu bieten hatte. 1519 mal fixierte Karl Eduard von Schnitzler mit bohrendem Blick die geteilte Fernsehnation, hunderte Male sprach er die Worte "Be Er De" und "Im Pe Ri A Lis Mus" aus, als könnten seine Worte den "Klassenfeind" einfach niedermähen.
Den kannte er aus nächster Nähe: "Sudel Ede" (DDR Bürger Spott) war selbst ein Spross des Monopolkapitals.
Er war ein Urenkel des 99 Tage Kaisers Friedrich III., sein Vater war Generalkonsul, ein Onkel Bankier. 1947 siedelte Schnitzler aus dem Westen in die sowjetische Besatzungszone über. Im Arbeiter und Bauern Staat machte der Vorzeige Adelige schnell Karriere und wurde Chefkommentator des DDR Fernsehens.
Dort leistete der überzeugte Kommunist ganz dialektisch seinen Beitrag zum Ende des SED Regimes. Neben dem Unterangebot an Südfrüchten war es das Überangebot an Schnitzler Kommentaren, dass die Leute 1989 auf die Straßen trieb.
In der DDR gehörte von Schnitzler bei der Bevölkerung zu den meistverhassten Systemvertretern.
Insbesondere die fortdauernde Diskrepanz zwischen laut verkündetem gesellschaftlichem Anspruch und individueller Wirklichkeit in der privaten Lebensgestaltung stieß beim Volk bitter auf.
So wurde bei den Demonstrationen unmittelbar vor dem 9. November 1989 u. a. lautstark skandiert: „Schnitzler, lass das Hetzen sein und kauf nicht mehr im Westen ein!“ Auf Transparenten forderten Demonstranten in Leipzig am 23. Oktober 1989: „Schnitzler weg von Bild und Ton, du besudelts die Nation!“
Dann hatten wir noch den amerikanischen Sender RIAS Berlin.
Diese Abkürzung stand für den unkonventionellsten aller westdeutschen Sender. Auch wenn der RIAS ein Kind des Kalten Krieges war, lebte das Programm nicht zuletzt von seiner Unterhaltsamkeit.
Berlin war nach 1945 in vier Sektoren geteilt. Aber eine der vier Besatzungsmächte, die Sowjetunion, versuchte, die Lufthoheit über den Rundfunk in ganz Berlin zu erringen. Als Antwort darauf gründeten die US-Amerikaner eine eigene Rundfunkstation – den RIAS.
Sendestart auf Mittelwelle war der 5. September 1946.
„Eine freie Stimme der freien Welt“ – so lautete der Anspruch.
Der Sender wuchs verhältnismäßig schnell mit seiner Strahlungsleistung und es gab teilweise groteske Nebenwirkungen, erzählt Walter Kober, Leiter der Senderanlage in Berlin-Britz:
„Man hörte zum Beispiel in unserer Gegend das RIAS-Programm aus der Dachrinne. Oder ein Beispiel ist mir besonders noch in Erinnerung: dass in der nächsten Nachbarschaft in einem kleinen Häuschen der Elektroherd in dem Moment, wo er eingeschaltet wurde, plötzlich zu sprechen anfing.“
Egon Bahr, damaliger Leiter des Bonner Büros des RIAS, sagte später über die Vorgänge der Programmgestaltung:
„Die Menschen kamen ungehindert aus der DDR – es gab ja noch keine Mauer – und haben uns mit interessanten Informationen versehen. Es war eben nicht in dem Sinne eine Agentenzentrale, dass wir ein Agentennetz aufgebaut hätten. Wir hatten unsere regelmäßigen, aber nicht unsere systematischen, über die ganze DDR verstreuten Mitarbeiter. Wir hatten IMs, aber wir hatten keine Stasi-Organisation.“
„Der RIAS sendet bis zur Wiedervereinigung!“ So hatte Programmdirektor Heinz Adolf von Heintze im Mai 1959 den Programmauftrag definiert. Und so ging nach Maueröffnung und Wiedervereinigung die Geschichte der wohl ungewöhnlichsten Rundfunkstation auf deutschem Boden, die immer auch eine amerikanische war, zu Ende.