Das Märchen vom Winter ohne Weihnachten

In einem kleinen verschneiten Dorf lebte einmal ein Mann namens Theodor. Theodor war der einzige Mensch weit und breit, der Weihnachten nicht mochte. Nicht, weil er böse war oder keinen Schnee liebte – nein, er konnte einfach nichts anfangen mit all den Lichtern, Liedern und Geschenken, die jedes Jahr gleich schienen. Für ihn war Weihnachten ein Theaterstück, das niemand verstand, weil alle bloß mitspielten, ohne zu fühlen.

Eines Jahres, während der erste Schnee vom Himmel fiel, beschloss Theodor, sein ganz eigenes Ritual zu erfinden. „Ich werde den Winter ehren, aber auf meine Weise“, sagte er. Und so begann er zu planen.

Er baute sich eine Windlaterne aus Glas und altem Holz, sammelte Kräuter, die nach Sommer rochen, und stellte eine Schale aus Eis her, die langsam in der Wärme des Hauses schmelzen sollte. Für den 24. Dezember legte er fest: Wenn der Abend kommt und die Glocken überall läuten, würde er raus in den Wald gehen, seine Laterne anzünden und dort den Tag verabschieden – nicht mit Liedern, sondern mit Stille. Seine Stille.

Das ganze Jahr über bereitete er sich auf diesen Moment vor. Er notierte, wann der Wind am freundlichsten klang, wo die Vögel am längsten verweilten, und welche Kräuter im Frühling am stärksten dufteten. Er freute sich auf Weihnachten – doch nicht auf das Fest der anderen, sondern auf seine Nacht der Einkehr.

Als endlich der 24. kam, zog er hinaus. Schnee fiel leise, die Welt war weiß und still. Theodor stellte seine Laterne auf einen Stein, sah, wie das Licht im Glas tanzte, und spürte eine Wärme, die nicht von außen kam. Zum ersten Mal verstand er: Es ging nie darum, Weihnachten zu meiden. Es ging darum, seinen eigenen Sinn darin zu finden.

Von da an freute sich Theodor jedes Jahr auf den Winter. Denn er hatte gelernt: Auch wer Weihnachten ablehnt, kann sein Herz zum Leuchten bringen – nur auf eine andere Weise.