Peinlich, peinlich!!

„Ich hab Appetit!“, eröffnete Herr Appetit der Krankenschwester gegen 8 Uhr morgens.
„Tut mir leid. Sie müssen nüchtern bleiben!“, erwiederte sie resolut.
Herr Appetit brummte, aber nur leise, denn er war ziemlich schüchtern und außerdem konnte die Schwester ja nichts dafür. Das weibliche Wesen verschwand und das sich bemitleidende Wesen im Bett entschloss sich zu einem Trostnickerchen.

Zwei Stunden später wartete er noch immer auf die Untersuchung, nichts tat sich. Doch, es tat sich etwas: Herr Appetit verspürte nicht länger nur Appetit, sondern so allmählich nagenden Hunger. In seinem Magen bullerte es hörbar vor sich hin und dies in rasant größerer Lautstärke. Zum Glück hatte er das Ganze nicht mehr allein durchzustehen. Seine Frau war erschienen und hörte sich zwar geduldig, aber zu nehmend empört die Magen-knurr-Annamnese an, die ihr Mann mit passender Leidensmiene zum Besten gab. Währenddessen sah sie ihm dabei zu, wie er wie ein gefangenes Tier und mittlerweile deutlich geschwächt im Zimmer hin- und herlief. Sie leistete kurz entschlossen seelischen Beistand:
„Dafür nüchtern? Das hab ich noch nie gehört!!“
Der seelische Beistand wuchs sich zu einem verbal recht umfassenden seelischen an, der denn selbst den kleinlauten Patienten überzeugte.

Als kurz darauf lächelnd Schwester das Zimmer betrat, traf sie eine hochnotpeinliche Nachfrage:
„Das kann nicht angehen. Ich warte schon den ganzen Vormittag. Was ist denn nu mit der Untersuchung?“
„Kann ich Ihnen leider nicht sagen!“
„Hören Sie mal: Dafür nüchtern?? Das kann doch nicht stimmen!!“
„Moment, ich frag mal nach!“, verschwand die Schwester mit betroffener Miene.
„Wahrlich toll!!“, meckerte Frau Appetit.
Ihrem Mann hing derweil der Magen unter den Pantoffelsohlen und er hielt sich nur mit Mühe noch aufrecht. Zu seinem Glück lag das Arztzimmer nur drei Türen weiter und dementsprechend fix kehrte die Schwester zurück, diesmal betont charmant lächelnd. Denn sie brachte eine Freudenbotschaft.
„Entschuldigung, da ist was falsch gelaufen! Klar dürfen Sie frühstücken!!“
„Ach ja ... !“

Die Tür öffnete sich. Eine auffallend hübsche junge Schwester mit gestärkter Schürze und ebensolcher Haube trug ein Tablett herein und deckte in der kleinen Sitzecke mit den zwei gemütlichen Minisesseln gegenüber des Bettes auffällig aufmerksam den Tisch. Sogar die Serviette legte sie absolut akkurat ausgerichtet neben den Teller.
„Lassen Sie es sich schmecken!“
„Danke!“, brachte Herr Appetit noch so eben heraus.
„Wenn wir nicht gefragt hätten, hättest Du vielleicht gar bis heut Abend nüchtern hier gesessen!“, schimpfte seine Gattin.

Kaum hatte Herr Appetit seinen Hunger, dann seinen Appetit getilgt, klopfte es an die Tür. Ein Pfleger stand dort:
„Herr Appetit, bitte zum Ultraschall!“