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Weshalb denn nur mir??

Von tastifix Montag 27.03.2023, 16:25 – geändert Dienstag 28.03.2023, 15:48

Juchuuh, ich würde ein paar Tage verreisen! Mal abschalten vom alltäglichen Kleinkram und mich von der Welt verwöhnen lassen.

Der Koffer war fix gepackt, Papiere und Geld sicher in der Handtasche versteckt. Die S-Bahn nach Köln startete um 9.29 Uhr.
„Tschüss, Mäuse! Mama geht jetzt!“, rief ich triumphierend durchs Haus.
Erstaunlicherweise antworteten sie sogar:
„Jahaah!“
Frohgelaunt zog ich los. Pünktlich trudelte die Bahn ein. In Köln wäre ich in einer halben Stunde. Es wäre nur Zwischenstation. Mein Ziel war der Taunus. Im Reisezentrum verblieben noch 15 min für den Fahrkartenkauf. Aber vor mir standen sechs Leute, die ebenfalls ungeduldig darauf warteten, an die Reihe zu kommen.
Zu meiner Freude arbeiteten die Bahnbeamten recht fix. Mit der Fahrkarte in der Hand eilte ich auf den Bahnsteig und stieg, ohne Sitzplatz- und Wagennummer nochmals nachzulesen, hastig in den dort bereits stehenden ICE ein.
´Hoffentlich finde ich jetzt schnell meinen Platz!`
Wegen der besonders schönen Route hatte ich einen Fensterplatz reserviert. Wo nur standen die Wagennummern angeschlagen? Nirgendwo entdeckte ich den ersehnten Hinweis.
´Notfalls setze ich mich auf einen freien Platz!`
Nein, zuvor würde ich Mitreisende fragen. Der Erste war ein junger Mann, der seinen Koffer in das Gepäckfach hievte.
„Wo stehen hier die Wagennummern?"
„Keine Ahnung!“
Entweder war der zu faul, eine vernünftige Auskunft zu geben oder hatte frech irgendeinen Platz belegt. Leider entdeckte ich keinen Schaffner. Mir blieb nichts als mich an weitere Passagiere zu wenden.

Inzwischen stapfte ich bereits durch den dritten Wagen. Mein Koffer schien sein Gewicht zu verdreifachen. Im nächsten Moment schwang ich ihn fix hinter meinen Rücken, um eine alte, sichtlich zitterige Dame vorbei zu lassen.
´Die ist bestimmt höflicher als der Typ vorhin!`
„Wissen Sie zufällig, welche Nummer dieser Wagen hat?“
„Das müsste da vorne oben angeschlagen stehen. Sehen Sie doch einmal nach!“, kam freundlich zurück.
Wirklich eine nette alte Dame. Nur nutzte mir diese Antwort wenig. Ein letztes Mal würde ich noch Hilfe erbitten. Falls es wieder schiefginge, würd ich halt den nächstbesten Sessel für mich beanspruchen.
Denn ich wollte jetzt endlich den blöden Koffer abstellen und bei einer Tasse Kaffee die Fahrt genießen.

So wandte ich mich an eine Dame mittleren Alters, die sehr zugänglich wirkte.
„Entschuldigung, Ich finde meinen Platz nicht. Laufe schon durch den dritten Wagen. Können Sie mir vielleicht helfen?“
„Zeigen Sie mal Ihre Karte. Ach, Wagen 24 suchen Sie? Da sind sie hier falsch.“
„Ja, wo finde ich denn die Wagennummern? Mir konnte das bis jetzt niemand sagen“, entgegnete ich.
„An den Verbindungstüren," lächelte sie.
„Hmm ...”
„Warten Sie, ich zeig´s Ihnen ... “
Sie deutete an die Wand neben der Schiebetür, durch die man den Verbindungsgang betrat.
„Das ist sehr freundlich von Ihnen“, bedankte ich mich.
Jedoch seufzte ich im Stillen. Denn: „24“ stand da nicht. Dagegen musste ich bis in den Wagen zurückmarschieren, von dem aus ich gestartet war. Zum Glück konnte ja jetzt nichts mehr schief gehen. Aber ich irrte mich gewaltig.

Kurz darauf landete ich wirklich im Wagen ´24`, saß aber noch nicht auf dem mir reservierten Platz. Mich schmerzte mein Arm und wurde zunehmend lahmer. Das Risiko, dass es dem anderen genauso ergehen würde, ging ich nicht ein. Darum setzte ich also den Koffer öfters leicht seufzend ab, schüttelte lockernd den Arm und schleppte zähneknirschend mein Gepäck zwei Sitzreihen weiter. Bei Gegenverkehr, ebenfalls mit Koffern und Reisetaschen bewaffnet, geriet es zur Katastrophe. Höfliche Mitmenschen:
„Hier ists so eng. Nicht, dass ich Sie anrempele. Dürfte ich wohl bitte durch?“
Doch die Anderen waren leider in der Überzahl. Bestenfalls kündigten sie sich gnädig an:
„Lassen Sie mich durch. Dahinten ist mein Platz.“
Im weniger günstigen Falle:
„Können Se nicht mal zur Seite gehen? Unverschämtheit so etwas!“
Doch Egoismus gipfelt in schmalen Zuggängen in weitaus extremere Verhaltensweisen.
„Aua“, quietschte ich plötzlich.
Von hinten klatschte mir die Kante einer Reisetasche gegen den Rücken. Rücksichtslos drängelte sich deren Besitzer an mir vorbei und schubste mich auf den nächsten Sessel zu. Den aber besetzte ein älterer Herr und schaute träumend aus dem Fenster. Dem bescherte ich nun unbeabsichtigt einen etwas anders gearteten Traum. Denn ich verlor die Balance und landete auf seinem Schoß. Er guckte verblüfft, dann freudig und immer freudiger.
Hochrot geworden, stammelte ich:
„Es ist mir schrecklich peinlich!“
„Mir aber nicht! Bleiben se ruhig sitzen, junge Frau!“
Hastig erhob ich mich, verlegen lächelnd eine weitere, abgehackte Entschuldigung murmelnd, und stolperte schnell weiter.
“Verflixt, wo ist denn nun mein Platz??“
In meiner Fantasie war er zu einem Designersessel avanciert mit dazu gehörigen Hocker für geplagte Beine.

Frustriert lehnte ich mich halb über die Sessel, um die Platznummern entziffern. Ich hatte „15“, dort stand „25“. Na, gleich wars geschafft! Und dann stand ich neben meinem Sessel mit hoher Lehne und zwei Armlehnen. Und vor ihm, am Rücken des Vorsitzes anmontiertem kleinen Hocker. Ich betrachtete das dicke gemütliche Polster. Es war blau mit vielen gelben Sternen. Prompt bildete ich mir ein, sie blinkten mir strahlend entgegen.
In der nächsten Sekunde wurde ich total ernüchtert, denn auf ihm hockte ein höchstens 25-jähriger Schnösel mit Ohrstöpseln und Laptop. Bei dem Gedanken daran, dass der vielleicht herum flirtete wie ein Bekloppter und ich hier völlig genervt daneben stand, packte mich die Wut.
„Hallo, könnten Sie bitte von meinem Platz verschwinden?“
Er fummelte sich die Stöpsel aus den Ohren und sah mich verwirrt an.
„Hääh?“
„Das ist mein Platz!“
Ich gab mir alle Mühe, das Gespräch wieder auf ein normales Höflichkeitsniveau anzuheben.
„Da sind se aber falsch gewickelt. Hier - meine Karte!“
Und wedelte mir mit einer zerknitterten Fahrkarte dicht vor dem Gesicht herum. ´Platz 15`, war da deutlich zu lesen. Ich war dem Heulen nahe. Sollte dieser Bengel etwa im Recht sein?
„Da stimmt etwas nicht!“, argumentierte ich. „Welche Wagennummer steht denn auf Ihrer Karte?“
„Wagennummer, wieso?“
Eins war sicher: Die Intelligenz hatte der nicht gepachtet.
„Nun ja“, erklärte ich, „da muss ja auch die Nummer des Wagens stehen, in dem der Platz für Sie reserviert wurde!“
Verunsichert guckte er auf den Zettel in seiner Hand.
„Wagen Nr.25!“, buchstabierte er langsam.
„Ja, dann ist alles klar. Dies hier ist Wagen Nr.24. Sie sind im falschen Abteil gelandet!“, triumphierte ich.
Doch blieb er einfach sitzen.
„Also“, hub ich an. „Entweder, Sie verschwinden jetzt oder ich rufe den Schaffner!“
Er schien endlich zu verstehen.
„Nun regen Se sich mal nicht so uff! ich gehe ja schon ... Mutti!“
Mir blieb der Mund offen stehen, wollte etwas sagen, doch bremste mich mich noch. Nein, des lohte sich nicht!

Wirklich hievte der Typ seinen Koffer von der Ablage herunter und quetschte sich an mir vorbei auf den Gang. Zum Abschied stieß er mir noch den Laptop gegen den Arm. Mir blieb zur Erinnerung ein blauer Flecken. Der aber ohne gelbe Sterne.

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