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Wie definieren wir Neugier?

Von Grunewaldturm gestern, 13:37

Viele Leute betrachten Neugier als intellektuelles Streben. Man möchte ein Thema verstehen, also liest man ein Buch oder einen Artikel, hört sich einen Podcast an. Das ist ein Teil der Neugierde. Aber es gehört noch so viel mehr dazu!
Neugierde ist meiner Meinung nach nichts, was wir besitzen, sondern etwas, das wir tun. Sprich, Neugierde ist wie ein Muskel, den man trainieren kann. Je mehr wir üben, je mehr Kompetenz erlangen wir darin, unsere Neugier in allen Lebensbereichen zu nutzen. Neugier ist eine Lebenskraft, und das ist es, was ich versuche, jungen Menschen zu vermitteln: Verliere nie diesen Zugang zu dieser Kraft, trainiere diesen Muskel, übe deine Neugier. Das hilft uns kritisch zu denken, Komplexität zu erkennen und Nuancen wahrzunehmen.
Wie kann man diesen Muskel trainieren?

Es gibt Praktiken die man anwenden kann, um Neugier zu kultivieren. Ein Beispiel ist, zu lernen zuzugeben, dass man etwas nicht weiß oder sich geirrt hat. Das ist deshalb so wichtig, weil jemand so intellektuelle Bescheidenheit beweist. Das bedeutet, dass man die Grenzen seines eigenen Wissens anerkennt. Untersuchungen zeigen, dass intellektuell bescheidene Führungskräfte am Arbeitsplatz als kompetenter und sympathischer angesehen werden. Die Leute wollen lieber mit diesen Menschen zusammenarbeiten und Fehler werden eher verziehen.
Sei es am Arbeitsplatz oder außerhalb. Es hat also wunderbare Vorteile. Aber wir leben gerade in einer Kultur, die denkt, dass wir immer alle Antworten haben müssen. Ich versuche allen, mit denen ich kommuniziere, begreiflich zu machen, dass die Fragen die wir stellen, genauso wichtig sind wie die Antworten. Und zuzugeben, dass man etwas nicht weiß, ist keine Schwäche, sondern eine Einladung. Eine Einladung an andere, ihre Sichtweisen und ihr Wissen mitzuteilen und mit ihnen zusammenzuarbeiten, denn das ist so viel kooperativer. Und macht auch viel mehr Spaß.
Wie stellt man gute Fragen?

Für mich ist Neugier ein Spektrum, das von oberflächlicher bis zu tiefer Neugier reicht. Oberflächlich sind Fragen, die einem informelle Details über das Gegenüber liefern.

Das hilft, Menschen kennenzulernen. Aber wir müssen auch mutig genug sein, um uns in die Tiefen der Neugier zu begeben. Das ist der Punkt, an dem wir in der Lage sind, unter die Oberfläche zu tauchen und jemanden so zu sehen, wie er wirklich ist.
Anstatt zu fragen, was jemand beruflich macht, lieber herausfinden, was das Spannendste an seinem Job ist. Diese Art der Neugierde ermöglicht ein tiefes Verständnis für das Gegenüber und schafft Verbundenheit. Das gilt auch für Freunde und Partner. Statt allgemein zu fragen, wie der Tag war, spezifisch werden. Zum Beispiel fragen, wer oder was dich heute zum Lachen gebracht hat. Die unterschiedliche Qualität oder das Nachdenken über die Fragen, die wir stellen, ist entscheidend.
Auch sich gewisser Muster bewusst zu werden, in denen wir uns befinden. Statt immer dieselben Fragen zu stellen, einfach mal experimentieren und neue Herangehensweisen ausprobieren und erforschen.

Echtes Interesse ist wichtig, statt Fragen einfach abzuspulen. Sonst fühlen sich Fragen wie auswendig gelernt an. Aber im Normalfall liebe ich es, Menschen zu fragen, wofür sie gerade besonders dankbar sind. Das ist so wichtig, weil wir das angesichts der Intensität der Welt aus den Augen verlieren können. Ich frage auch gerne, ob kürzlich etwas oder jemand eine ihrer Meinungen oder Haltungen zu einem bestimmten Thema verändert hat und warum. Das erinnert uns daran, dass wir uns ständig ändern und flexibel bleiben sollten. Und dass eine Meinung nicht fix ist. Ich frage auch gerne, bei welcher Person im Leben man das Gefühl von echtem Interesse hat. Das Gefühl, dass man dem Gegenüber wirklich etwas bedeutet. Oft bewirkt diese Übung, dass man sich fragt: Bin ich diese Person für jemand anderen? Und das motiviert dazu, neugieriger auf die Menschen zuzugehen, die wir lieben.

Gut zuhören können, ist also ein wichtiges Fundament der Neugier?

Ja! Und umgekehrt ist Neugier die Basis für aktives Zuhören. Es gibt etliche Methoden. Zum Beispiel kann man üben, die Person, die gerade spricht, ganz bewusst nicht zu unterbrechen. Das ist schwieriger als man denkt! Man kann ganz bewusst immer wieder nicken, um zu zeigen, dass man dem anderen folgt.
Aktives Zuhören funktioniert auch über Wiederholung. In dem man zusammenfasst, um sicherzustellen, dass man alles richtig verstanden hat. Sich immer wieder ermahnen, die Perspektive des anderen aufzunehmen, statt die eigene kundzutun. Wir haben leider so oft das Bedürfnis, schon beim Zuhören im Geiste unsere Antwort zu formulieren. Und hören zu früh auf, wirklich zuzuhören.
Es geht auch darum, sicherzustellen, dass man das Gespräch nicht zu früh beendet. Wege und neue Möglichkeiten zu finden, Dinge zu fragen, die es einem erlauben, die Person tiefer zu verstehen und zu erkennen, was sie im Leben gerade durchmacht.

Menschen verändern sich ständig und wir alle missverstehen Dinge immer mal wieder. Auch deshalb ist Offenheit so wichtig und die Bereitschaft, sich auch mal überraschen zu lassen.

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