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Grüße aus der Vergangenheit

Von Feierabend-Mitglied Freitag 09.11.2018, 11:03

Ich weiß nicht, ob ihr das auch kennt; plötzlich sitzt man da und es überfallen einen die Erinnerungen.
Gerade habe ich noch mit einer Freundin geschrieben, deren Mann Michael heißt.
Ich erinnerte mich an einen Jugendfreund, auch einen Michael. Wir waren befreundet, nicht liiert, dafür hatte Teenager Gela doch zu viel Angst.
Kennen gelernt habe ich ihn durch meinen Vater, der für einige Bauherren die Dächer eindeckte – Nachbarschaftshilfe genannt.
Er musste seinem Vater eine Nachricht überbringen, das ohne Telefon aber nicht gelang, so musste ich halt ran. Er beschrieb mir Michael recht gut und seine Beschreibung deckte sich mit dem Jungen, der neu an unserer Schule war und den ich irgendwie mochte, ohne ihn zu kennen.
Also ging ich klopfenden Herzens zu ihm hin, er stand gerade in einer Gruppe Jungs, fragte ihn ob er Michael Sowieso sei, gab mich zu erkennen und überbrachte meine Nachricht. Die Jungs lachten und verulkten ihn als ich weg ging; er lachte nicht.
Dann besuchte ich meinen Vater auf der Baustelle und lernte so seine Familie kennen, alle sehr nett zu mir, und obwohl der Vater auch zu mir nett war, entpuppte er sich aber als Despot gegenüber seiner Familie.
Michael und ich trafen dann noch bei anderen Schulkameraden aufeinander, und freundeten uns immer mehr an. Er besuchte mich unvermittelt zu Hause und wir machten lange Spaziergänge, redeten viel miteinander, während er mir aus öffentlichen Rabatten plötzlich Rosen abschnitt und sie mir schenkte.
Um 19 Uhr musste er immer zu Hause sein, da wurde Abendbrot gegessen, aber danach kam er zu mir. Einmal mit zwei oder drei Plastiktüten gefüllt mit geklauten Rosen, die er aus diesen Beeten geschnitten hatte…ich war so perplex…dann fuhr er wieder weg, denn er machte eine Bäckerlehre und er musste am Abend noch den Teig ansetzen.

Seltsam, an was ich mich alles erinnere.
Als ich aus meinem Heimatort in den 10 km entfernten Nachbarort zog, kam er mich besuchen.
Meine Schwester hatte einen Freund mit Auto, der wagte es nicht durch den vielen Schnee zu fahren, aber Michael kam mit einem Mofa. In seinen Gepäcktaschen hatte er Mitbringsel von meiner Mutter, die er gefragt hatte, ob er etwas für mich mitnehmen solle. Rechts und links des Lenkers Plastiktragetaschen, in denen Sekt und andere Geschenke für mich waren. So kam er durch den hohen Schnee mit einem Mofa gefahren. Als er bei mir ankam war er klitsche nass.
Ich hatte eine Wohnung mit Kohleofen und über meine Stühle waren seine nassen Sachen gehängt um zu trocknen. Er saß im Sessel neben dem Ofen, bibbernd in meinen Morgenrock gewickelt, um sich zu wärmen. Ich saß weit von ihm entfernt, weil ich diese Situation schon als bedenklich dachte, und ich wollte ihr nicht noch mehr Munition geben…ich hatte schlichtweg Angst vor dem, was da kommen könnte.
Wir tranken uns ein Glas Sekt und redeten miteinander. Er blieb bis zum Abendbrot und zog sich dann seine klammen Sachen wieder an. Sein Weg führte ihn noch 18 km zurück in seinen Lehrbetrieb, wo er inzwischen Geselle war, und das Wetter hatte sich ja auch nicht in den wenigen Stunden geändert. Ich nannte ihm einen anderen Weg, der auch nicht schneller war, aber über eine Hauptstraße führte. Handys gab es zu der Zeit noch nicht, ich selber musste immer zu einer Telefonzelle, um mit meiner Mutter zu reden.
Wir verabschiedeten uns als Freunde. Er kam noch zweimal zu mir, davon noch einmal im selben Winter.
Dann lernte er Renate kennen und heiratete sie. Er hatte mit ihr Kinder und sie haben ein Haus gebaut. Irgendwann kam die Scheidung und laut seiner Schwester, mit der ich über das Inet kurz Verbindung hatte, ist er zum zweiten Mal verheiratet.
Ich kann ihm nur alles Glück wünschen.
Ob ich ihn heute wieder erkennen würde? Ich glaube nicht, dafür ist zu viel Zeit ins Land gegangen, in der wir uns nie wieder gesehen haben.

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