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Bedingungslose Liebe

Von Feierabend-Mitglied vorgestern, 16:01

Eine Geschichte, von der ich glaube, dass sie mein Leben geprägt hat, ich war 13 Jahre alt:

Oft konnte ich nachts nicht schlafen, auf die Gründe will ich hier nicht näher eingehen. Morgens bin ich dann mit einer bleiernen Müdigkeit in die Schule gegangen. Manchmal passierte es, dass ich vor Müdigkeit im Unterricht eingeschlafen und vom Stuhl gefallen bin. Meinem Überlebensprinzip entsprechend habe ich daraus eine Parodie gemacht, getan, als ob es absichtlich passiert ist und die ganze Klasse hat gelacht. Die Bestrafung habe ich in Kauf genommen. Nichts sollte nach draußen dringen!!!

So passierte es einmal im Handarbeitsunterricht, eine liebevolle Lehrerin bat mich freundlich, nach der Schule ins Lehrerzimmer zu kommen. Sie bot mir an, sie am Nachmittag zu besuchen und über Nacht zu bleiben. Ich war sehr erschrocken, sagte, dass alles bei mir in Ordnung wäre und mein Vater das sowieso nie erlauben würde.

Als ich nach Hause kam sprach mein Vater mich an, sagte, er hätte einen Anruf von meiner Lehrerin bekommen, heute fände bei ihr eine Probe für ein Theaterstück statt, es würde spät werden und ob ich über Nacht bleiben könne. Mein Vater hatte zugestimmt.

So machte ich mich mit klopfendem Herzen und dem inneren Versprechen, gar nichts zu erzählen, auf den Weg.

Frau Ruhnke war selbst schon um die 60 Jahre alt, hatte eine kleine Wohnung mit 2 Räumen. Am Abend machte sie für uns beide ein liebevolles Abendbrot, dann guckten wir Fotoalben an und sie erzählte aus ihrer Kindheit. Ich war verwirrt und auch erleichtert, weil sie mich nichts nach meinem Zuhause fragte.

Irgendwann sagte sie, es wäre Zeit, schlafen zu gehen, ich solle sie rufen, wenn ich noch etwas brauche oder mir wünsche. Sie zeigte mir ihr Schlafzimmer, sie schlief im Wohnzimmer auf der Couch. Im Bad hatte sie mir ein herrlich duftendes Schaumbad eingelassen. Ich kannte keine Badewanne, mein innerer Panzer begann mächtig zu bröckeln. Als ich aus der Wanne kam lag auf dem Hocker ein vorgewärmtes Badetuch und ich trocknete mich mit diesem warmen Tuch ab. Da liefen die ersten Tränen.... die ich mühsam runterkämpfte, tief in meinen Bauch.

In ihrem weichen Daunenbett hielt ich es kaum aus und dachte, es gibt etwas, was ich mir wünschen könnte und das würde sie mir bestimmt abschlagen müssen und dann würde ich zur Ruhe kommen, weil es in mein System passen würde. Liebe macht so wehrlos!

Ich rief sie und bat um eine Tasse heiße Milch mit Honig. Sie lächelte und holte mir, was ich mir gewünscht hatte. Ich trank meine Milch, alles in mir bebte und mühsam sagte ich, ich könnte ihr eine sehr lustige Geschichte erzählen. Da liefen ihr die Tränen runter, sie streichelte über meinen Kopf und meinte, du siehst nicht aus, als ob dir nach lustigen Geschichten zumute ist. Da sind bei mir alle Dämme gebrochen und ich bin schluchzend in ihrem Arm eingeschlafen.

Zwei Tage später war sie an einem Herzinfarkt gestorben. Ich hatte sie nie wiedergesehen.

Ich weine noch jetzt manchmal, wenn ich an sie denke.

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