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Der Papa wird’s schon richten

Von Feierabend-Mitglied Donnerstag 26.06.2025, 13:12


Es ist 6 Uhr früh. Wir sind auf der Fahrt von Salzburg über Passau nach Wien.

Es war Claudias glorreiche Idee, die ultimativ beste Couch namens „Florida exquisit“, ausgerechnet in Passau zu kaufen. Der Händler wäre bereit gewesen, die Ware frei Haus zu liefern, doch Claudia lehnte ab und fügte stolz hinzu, dass ihr Papa, also ich, über einen Transporter verfüge und die Couch selbstverständlich in Passau abhole. Ich war not amused, denn der kleine Umweg, wie Claudia ihn nannte, bedeutete 2 Stunden Fahrt über Landstraßen.

Der L300 läuft wie am Schnürchen. Zwischen den Sitzen steht der Proviantkorb, den meine Frau für ihre zwei „Weltreisenden“ zusammengestellt hat. Claudias Zimmer war geräumt und jede Menge Klimbim auf den Transporter verladen. Für die neue Couch reicht der Platz gerade noch.
Die erste Stunde verschläft Claudia – trotz Ö3-Wecker im Autoradio. Um 8 Uhr sind wir im Lager des Möbelhauses. Arbeiter karren ein kolossales Ungetüm heran und grinsen, als sie das vollgepackte Auto sehen. Mein Blick trifft Claudia, sie ist genauso entsetzt wie ich.

„Das kann nicht sein, dieses Monstrum ist niemals meine Couch!“

Ich überprüfe den Lieferschein. Kein Zweifel, das ist unsere Couch. Ich reiße die Verpackung auf – nur massenhaft Schaumstoff. Nachdem die irrwitzige Knautschzone weg ist, lugt die Couch hervor. Und sie passt genau in die Lücke. Festgezurrt und gesichert ist Claudias „Florida exquisit“ bereit für die Reise nach Wien. Nächster Stopp: Grenzübergang Suben. Alles ist gut gesichert, die Papiere sind okay, nur der Zeitaufwand passt nicht ins Konzept. Claudia versucht es mit Charme, setzt ihr hilfloses Lächeln auf und will dem Zöllner ihren Studentenumzug erklären. Er winkt uns genervt durch. Geschafft! Bis Wien sind es noch knapp 300 km.

„Papa gib Gas“, sagt Claudia und ich bringe den L300 auf Touren. Mehr als 120kmh schafft er vollbeladen nicht. „Es geht nicht schneller, auch wenn du das Radio auf Höchststufe plärren lässt!“, versuche ich Motor und Radio zu übertönen. „Wir sind zu Mittag in deiner Wohnung. Genug Zeit, Bett und Kasten zu montieren. Am Abend muss ich wieder in Salzburg sein.“

Der L300 frisst brav die Kilometer. Claudia würdigt mittlerweile meinen Einsatz. Sie bedankt sich für meine kostbare Zeit. Die Landschaft fliegt an uns vorüber, von weitem sehen wir schon das Stift Melk. Plötzlich nehme ich einen Geruch wahr, es riecht wie verbrannter Gummi. Zeitgleich fängt der Motor zu dröhnen an, ein Ruck geht durch den Wagen und eine stinkende Rauchwolke strömt aus der Motorhaube. Ich habe zu tun, das Fahrzeug auf den Pannenstreifen zu steuern. Ich schreie: „Nix wie raus, die Kiste brennt!“. Ich bugsiere Claudia hinter die Leitplanken der Autobahn und haste zurück zur nächsten Notrufsäule. Mir ist klar: die Kiste ist hinüber.
Jetzt ist der Krisenmanager gefragt. Natürlich spielt der Papa-Instinkt eine Rolle, aber auch die Ladung will geschützt sein. Noch brennt es nicht, aber aus dem Auto qualmt schwarzer Rauch.

Wirre Bilder von brennenden Autos laufen durch meinen Kopf. In Filmen explodieren sie spektakulär – nicht aber hier. Unser Transporter raucht und stinkt, aber er brennt nicht. Explodieren tun die Gedanken in meinem Kopf. Der erste Schock scheint überwunden. Was war passiert? Warum der Motor den Geist aufgegeben hat, weiß ich nicht. Jedenfalls macht der Stinker keinen Mucks mehr. Claudia sitzt auf der Leitblanke und weint ihrer House-Warming-Party nach, die sie mit Freunden für heute Abend geplant hatte.

Fußgänger auf Autobahnen leben gefährlich. Kein Schwein kümmert es, dass ich, suchend nach einer Notrufsäule, meinen Kopf verrenke und dabei über achtlos weggeworfener Bierdosen stolpere. Tonnenschwere Sattelzüge brausen im Höchsttempo an mir vorbei, der Fahrtwind lässt meine Augen tränen. Endlich taucht die orangefarbene SOS-Notrufsäule vor mir auf.

Wie durch einen Schleier lese ich: „Klappe hochziehen und sprechen!“
Es ist mühsamer als gedacht – ich brülle ins Mikrofon: „Hallo?”
Eine Stimme ertönt: „Notruf-Zentrale, Sie befinden sich auf der A1, Fahrtrichtung Wien in Höhe Melk, was ist passiert?“
Ich schildere die Situation : "Nein, es ist niemand verletzt … zwei Personen … wie bitte? … Nein, es ist kein weiteres Fahrzeug involviert.“

„Okay. Bewahren Sie Ruhe und Abstand, am besten hinter der Leitschiene, wir schicken gleich jemanden.“

Ein Fahrzeug des ÖAMTC kommt mit blinkenden Lichtern angebraust. Der Fahrer sichert die Unfallstelle, schaut kurz in den Motorraum des L300 und schüttelt den Kopf: „Schaut nicht gut aus, da ist nix mehr zu machen, ich schleppe sie so schnell wie möglich von der Autobahn herunter.“

Nach 15 Minuten ist alles vorbei. Endstation: eine Tankstelle in Melk.
„Was jetzt?“, fragt Claudia.
„Nachdenken”, sage ich.

Tatsache ist, wir sitzen hier fest. Der Tankwart ist skeptisch. Er faselt etwas von Zylinderkopf und Kolbenreiber. Ich verstehe nur Bahnhof. Mein Mobiltelefon leistet jetzt gute Dienste, ich telefoniere mit Gott und der Welt. Mein Salzburger Autohändler hat eine Idee: Ein Abschleppwagen ist gerade unterwegs von Wien nach Salzburg.
„Aber ich muss nach Wien, der Wagen ist voll beladen“, entgegne ich.
Es bleibt bei dieser einzigen Möglichkeit. Also funkt er den Wagen an und holt ihn von der Autobahn. Allerdings hat er schon ein Auto geladen. Ich frage: „Wie soll das gehen?“ Kein Problem, meint der Fahrer, lässt den Pkw herunter und zieht den L300 huckepack hinauf. Den Pkw hängt er in die Abschleppmulde und zieht ihn hinten mit. Wir sitzen im LKW. Mit Tempo 50 geht’s zurück nach Salzburg.

Es ist verrückt, trotz der Misere können wir lachen. Unterwegs organisiere ich einen Leih-Transporter. Mittlerweile ist es Abend geworden in Salzburg. Wir laden die komplette Fuhre um. Morgen früh starten wir abermals die Fahrt nach Wien, diesmal Direttissima.
Ich kann doch mein Mädchen nicht um den Genuss des Einzugs in ihre erste eigene Wohnung bringen. Organisation ist eben alles.

©Bild & Text by ferdinand

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