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Die Kuh berta

Von Feierabend-Mitglied Donnerstag 30.01.2025, 17:36

Ich war Vierzehn und ein eher schmächtiger Junge, als mich Vater aus dem Haus trieb. Ich war auch der Meinung, dass es besser wäre, zu verschwinden. Ich war der Prügel überdrüssig geworden und sah in der neugewonnenen Freiheit meine Chance.
Eine Metzgerei in der Weststeiermark suchte einen Lehrling bei Kost & Logis im Haus. Ich überlegte nicht lange, kontaktiere den Fleischhauer und bekam die Stelle.
Ich saß bereits im Zug nach Köflach, als mir erste Bedenken kamen. War ich überhaupt geeignet für diesen Beruf? Unter einem Metzger stellt man sich einen kräftigen Mann vor, dachte ich. War ich zu naiv? Ich spürte, dass etwas falsch lief, verdrängte den Gedanken aber wieder.

Der erste Arbeitstag begann mit einem kräftigen Frühstück. Der Meister stellte mir seinen Gesellen Stefan vor. Ich war beeindruckt. Stefan hatte Arme wie Popeye. Er legte seine Pranken auf meine Schulter und musterte mich. Noch nie hatte ich so große Hände gesehen. Die bereitgestellte Arbeitskleidung schlotterte an mir, ich war zu klein. Einzig die Gummistiefel passten.
„Also Ferdinand, du musst noch ein bisserl wachsen, an der Kost solls nicht liegen”, sagte der Meister. Der Gummischurz musste geändert werden. „Das macht nichts“, sagte er, „dann beginnst du eben heute im Außendienst.“
„Außendienst?“
„Ja, wir zwei holen eine Kuh aus dem Nachbardorf.”
Wir fuhren mit seinem Opel Rekord zu einem kleinen Bauernhof. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie wir die Kuh transportieren sollten. Mit diesem Auto? Unmöglich, dachte ich. Der Meister lachte, der Bauer klatschte der Kuh noch einmal auf den Rücken und sagte: „Pfiati Berta.“

„Was machen wir jetzt mit der Kuh?“, fragte ich.
„Das ist deine Aufgabe, du gehst mit der Berta heim.“
Ein Strick war als Halfter um den Hals der Kuh gebunden. Der Meister zeigte mir, wie man so etwas handhabt und drückte mir einen Stecken in die Hand. „Wenn die Kuh nicht gehen will, dann nimmst du diesen Stock und schlägst ihr hier fest drauf, das tut ihr nicht weh und sie geht weiter, kapiert?“
„Alles klar”, sagte ich und Berta ging mit mir los. Der Meister gab mir noch ein paar Ratschläge, setzte sich in sein Fahrzeug und fuhr weg.

Der hat leicht reden, dachte ich. Die wenigen Autos auf der Landstraße waren kein Problem, nur wenn ein Motorrad an uns vorbei knatterte, verfiel Berta in Panik. Sie riss den Kopf nach oben und ich hing in der Luft.
Vergessen waren alle Ratschläge des Meisters. Ich schlug die Kuh nicht mit dem Stock, stattdessen begann ich mit Berta zu sprechen: „Wir schaffen es auch ohne Schläge, was meinst du?” Ein kurzer Brüller sagte mir, dass sich schon wieder so ein verdammtes Moped näherte.
Am Hauptplatz von Köflach fing Berta ohne ersichtlichem Grund zu brüllen an. Ich schaute mich um, aber da war nichts außer dem Schaufenster eines Geschäftes. Das irritierte Berta, sie sah ihr Spiegelbild in der Scheibe, ging keinen Zentimeter mehr und brüllte. Verzweifelt sprach ich auf sie ein: „Berta, bitte, die Leute lachen schon über uns.” Aber Berta blieb stur und ich spürte, wie meine Geduld zu Ende ging. Im Laden des Metzgers war die Szene nicht unbemerkt geblieben. Geselle Stefan kam mir zu Hilfe, trat der Kuh in die Flanken. Berta brüllte noch einmal aus Protest und galoppierte mit meinen Helfern in Richtung Schlachthaus.

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