Hier können Familien Kaffee kochen

In den 50ziger Jahren wurden an den Stadtgrenzen von Berlin ehemalige Geschäfte eingerichtet, die aus einer Küche, Sanitärbereich und ein- bis zwei großen Räumen bestanden. Darüber gab es ein großes weit sichtbares Schild mit der Aufschrift: Hier können Familien Kaffee kochen.

Die Benutzung war kostenfrei, der Schlüssel hing an einer Kette an der Tür.
An einen solchen Ort sind wir als Familie sonntags im Sommer oft gefahren. Schon am Samstag begann die Vorfreude. das Auto, ein alter Opel Rekord, wurde beladen mit Decke, Federballspiel, Bälle Gesellschaftsspiele, Bücher, Wechselwäsche und was man für ein Baby so braucht. In der Nacht zauberte unsere Mutter Kartoffelsalat und Bouletten, für nachmittags machte sie einen Kuchen, Kaffee, Tee, Milch und frisches Obst wurde in eine Kiste gepackt.
Am Morgen gab es ein großes Gewuhsel in unserer 1.5 Zimmerwohnung, jedem fiel noch etwas ein und dann ging es los. Hinten im Auto saßen 5 Kinder und ich hatte das Baby auf dem Schoß, vorne saßen eine erschöpfte Mutter und ein laut singender Vater, wir alle stimmten mit ein:

"Hinaus in Gottes schöne Welt, lebe wohl, ade
die Luft ist blau und grün das Feld, lebe wohl ade...."

Es gab noch keine Sicherheitsgurte, keine vollen Straßen und so kamen wir zu unserem Ziel. Alles Notwendige war im Haus vorhanden, ein Herd mit Wasserkessel, Mengen an Geschirr, Besteck, Töpfe, Pfannen. Tische und Stühle standen draußen und eine wunderschöne Wiese und Bäume luden zum Spielen und Klettern ein. Bei Regen hielten wir uns mit Gesellschaftsspielen und Vorlesen innen auf
So verbrachten wir manchen Sonntag in der Natur, in einer Freiheit, die wir in der engen Wohnung zu Hause nicht kannten. Vater ließ sein cholerisches Temperament und seine Strenge daheim spielte und lachte mit uns, zeigte uns Pflanzen und kleine Tiere, unsere Mutter schlief oft auf der Decke vor Erschöpfung ein. Aber auch sie war glücklich. Manche Orte lagen am Wasser und wir konnten schwimmen gehen, das war dann das Größte an Freude. Oft war auch noch eine zweite oder dritte Familie anwesend, mit denen wir spielten. Unser Vater hatte immer das Akkordeon oder die Gitarre dabei.
Das sind Tage voller Erinnerungen, Lebensfreude, familiäre Verbundenheit und Natur. Wir tankten Energie, Licht und frische Luft, das half uns in der nächsten Zeit über die Enge und Dunkelheit in den dunklen Mietskasernen. Es gibt viele Anekdoten, die wir uns noch heute bei Familientreffen lachend erzählen.