Auf Formentera
Von
stefanpachmayr
Montag 16.12.2024, 18:00 – geändert Montag 16.12.2024, 19:01
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… Also ließ er es bleiben und fuhr mit dem Roller nach San Francesc in sein Lieblingscafé direkt am Kirchplatz. Dort kannte ihn die Bedienung bereits, er bestellte sich einen Cappuccino und zündete sich eine L&M an. Ja, er hatte wieder angefangen zu rauchen, war es ein Drang frei zu sein oder der Wunsch nach alten Zeiten, er wußte es nicht. Gestern hatte er sich ein weißes, luftiges Baumwollhemd gekauft, mit dem Strohhut und der Sonnenbrille fühlte er sich sehr wohl. Er beobachtete die Menschen, die vorbeiliefen eine Weile, beschloss dann aber an seinem aktuellen Buch weiterzulesen (Dostojewski, Die Brüder Karamasov). Seine Neigung zu französischer oder russischer Literatur des 19. Jahrhunderst bestand nach wie vor. So verging der Nachmittag mit Lesen, Kaffee trinken, Zigaretten rauchen und die Zeit eine zu vernachlässigende Größe zu machen. Bei Dostojewskis Büchern faszinierte ihn, dass in jeder Figur auch eine Charakterfacette des Autors steckte. Keine Figur war total böse aber auch nicht absolut gut, das machte sie so realistisch und wirklichkeitsnah. Jeder der Brüder bei Karamasov war auch ein Teil von Dostojewskis Charakter. Für ihn war er der erste psychologische Schriftsteller der Neuzeit. Er nahm einen Schluck Cappuccino und süßte mit einem Löffel Zucker nach, weil er ihn zu bitter erschien. Jetzt, schmeckte er deutlich besser, befand er. Döblin war natürlich viel schwerer zu lesen und auch zu verstehen wie Dostojewski, aber der hatte auch etwas. Diese Weitläufigkeit, das Ausschweifende, sich verlierende schließlich ins nichts ausufernde, so wie das Leben, stellte er fest. Er zahlte schließlich und fuhr mit dem Roller zurück in seine Ferienwohnung. Dort machte er sich Spiegeleier mit Speck und trank ein Dosenbier, während er die Wellen am Strand betrachtete. Alles war gut in diesem Moment, er war mit sich im Reinen und er dachte sich „so kann man leben“. Bei Kerzenschein las er noch ein wenig im Buch und löschte die Kerze dann, um schlafen zu gehen. Morgen war auch noch ein Tag. Carmen dachte sich nichts, als sie Ihm eine WhatsApp schrieb. „Huhu, ich bin in Ibiza und chille am Strand und du so?“ Ihr fiel fast das Handy aus der Hand, als sie die Antwort las. „Ja hier auch ganz geschmeidig am Strand, LG aus Formentera.“ Formentera?! Das ist doch nur eine halbe Stunde mit der Fähre von mir weg! Sofort fiel ihr ein, wie sie als Arbeitskollegen bei ihrer alten Firma sich gut verstanden hatten, mehr wurde es nicht, obwohl sie gerne gemocht hätte. Er ist ein Typ Mann, vor dem muss man sich schon nackt ausziehen, bevor er etwas kapiert…