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Blind und so fröhlich!

Von tastifix Samstag 14.12.2024, 11:57

Es begab sich in einem Urlaub mit meinen Eltern auf einem Gutshof im Münsterland. Ich war etwa 13 Jahre alt.
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Ein paar Tage nach uns traf eine amerikanische Familie ein. Die Erwachsenen verstanden sich sofort sehr gut. So kam es, dass ich mich mit der Tochter, die in mmeinem Alter war, unterhalten wollte. Doch wusste ich nicht so recht, wie ich mit ihr sprechen sollte, war gehemmt. Inge, so hieß sie, war von Geburt an blind und ich hatte noch keinen Kontakt zu Blinden gehabt. Aber sie war so fröhlich, lachte auch sehr oft und so überwand ich die Unsicherheit. Wir fanden immer neuen Gesprächsstoff: Ihre Eltern waren wohlhabend und konnten ihr viel ermöglichmen und so hatte sie bereits viele Länder besucht. Begeistert erzählte sie mir davon. Fasziniert hörte ich zu.
Auch erkten wir sehr schnell, dass wir den gleichen Humor hatten und lachten sehr oft. Ja, es war zwischen uns so, als ob wir Freundinnen geworden wären. Hand in Hand streiften wir auf dem Gut herum. Ich beschrieb ihr alles und sie erklärte mir, wie Blinde ihre Umwelt erleben.

Wieder mal schlenderten wir einher. Die Vertrautheit zwischen uns ließ es zu, dass ich sie zu fragen wagte, ob sie das Wissen darum, nicht sehen zu können im Gegensatz zu den meisten Anderen, sehr belasten würde. Ihre Antwort habe ich nie vergessen:
„Ich kenne es ja nicht anders und vermisse deshalb nichts. Weißt Du, eigentlich bin ich reicher als Ihr Sehenden …“
Ich schwieg, wusste ja, dass ihr Vieles verborgen blieb und mich bewegte es tief, dass sie so darüber dachte. Auch Inge blieb einen Moment still. Vielleicht spürte sie, dass ich dies nicht nachvollziehen konnte und erklärte noch:
„Ich Kann mir in der Fantasie alles so vorstellen, wie ich es möchte, noch viel ehr als Ihr.“
„Nur die Farben nicht! An ihnen wirst Du nie Freude haben können! “, dachte ich.

Es ist nun fast sechzig Jahre her. Dennoch denke ich ab und zu noch daran zurück und bin jetzt der Überzeugung, das diese kurze Zeit des Zusammensein mir viel gebracht hat. Seitdem hatte ich nie mehr Probleme damit, Behinderten unbefangen gegenüber zu treten.
Leider beschränkte siech die dammalige Bekanntschaft nur auf jene Ferien. Trotzdem sehe ich Inge noch vor mir und höre ihr fröhliches Lachen.

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