Froh zu sein bedarf es wenig
Von
tastifix
Dienstag 17.12.2024, 16:39 – geändert Dienstag 17.12.2024, 18:00
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tastifix
Dienstag 17.12.2024, 16:39 – geändert Dienstag 17.12.2024, 18:00
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Bereits seit Längerem bewege ich mich in in der zweiten Hälfte des Lebens, in der man zurück schaut, überdenkt und vorausschaut und noch intensiver nachdenkt. Ich lebe am Rande Düsseldorfs, kann mich also sowohl ins hektische Stadtleben stürzen, aber ihm genauso den Rücken zukehren, um mich in der Natur dessen zu besinnen, dem im Alltag kaum mehr Bedeutung zugesprochen wird.
Meine Seele krankt daran. Sie braucht die friedlichen Wälder, den weiten Blick über Wiesen und Felder, deren Ähren im sanften Wind tanzen. Sie sehnt sich nach sich kringelnden Wellen und schäumenden Wogen, den im Sonnenlicht glitzernden Diamanten der Bäche, Flüsse, Seen und besonders der Meere, die sich am Horizont mit dem Himmel vereinen, schier endlos zu sein scheinen. Dann erfüllt mich ein unbeschreibliches Glücksgefühl, das mich bereitet für einen innigen Dialog mit der Natur umher. Je älter ich werde, umso mehr brauche ich die Verbindung zu ihr, diese Stunden der Stille.
Schon der Anblick des eigenen Gartens verzaubert mich. Alles Andere ist vergessen, ich genieße nur noch und horche in mich hinein. Derweil betrachte ich das sich am hohen Zaun entlang windende Efeu, bestaune jedes einzelne Blatt in seiner maserierten Schönheit. Manchmal berühre ich eines vorsichtig mit der Hand und empfinde, welch kleines Wunder da wächst. Auch schaue ich ich zu der hohen Tanne in der hintersten Ecke des Grundstückes, freue mich an dem satten Grün ihrer weit ausladenden Zweige. Sie dient mehreren Vogelarten als Wohnung - ein Wolkenkratzer für geflügelte Mieter. Die Weidenkatze, die meine Älteste vor ungefähr zwölf Jahren auf einer Wildwiese ausgrub und dann stolz in unseren Garten pflanzte, ist zu einem mächtigen Baum herangewachsen, dessen im dichten Laub stehenden, weit ausladenden Äste in heißen Sommermonaten Kühlung und Schatten spenden.
Mein Blick streift das Grün zu meinen Füssen, vor nunmehr fast 27 Jahren zur Spielwiese für Kinder und Tiere erklärt. Mein Blick bleibt an einer Gänseblume hängen, grazil und kerzengerade gewachsen. Gänseblumen sind meine Lieblingswildblumen. Sie bedeuten mir mehr als hoch gezüchtete Rosen, Lilien oder auch Orchideen. Ich weiß nicht zu sagen, was mich an ihnen so sehr fasziniert. Oder vielleicht doch: Es sind in ihrer Zierlichkeit äusserst niedliche Pflanzen. Minutenlang stehe ich ab und an vor einem solchen Winzling. Sein Kleid erinnert mich an unsere lebensspenderin, die Sonne, hoch über mir. Ein wenig deren Gelbes hat diese kleine Blume sich mittig behalten, aber die ovalen, dicht stehenden Blütenblätter mit strahlendem Weiß geschmückt.
Die Gedanken fliegen ins Reich der Fantasie, mit wachsender Freude lasse ich es zu, denn es tut mir gut. Die Pflanze da vor mir wird für mich zum Symbol natürlicher Schönheit. Mich drängt es, meinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen und ich spreche sie an:
„Wir Menschen denken oft, es gäbe nichts Wichtigeres als die Karriere, Reichtum, Macht wie auch die Forschung, hetzen zu den Sternen, dringen derweil ständig weiter ins All vor und wähnen uns als die Beherrscher der Welt. Doch gibtes uns keinen inneren Frieden: Ich beneide Dich, denn Dir ist jegliche Unrast fremd."
Höre ich richtig oder täuschen mich meine Sinne, weil ich mir so sehr eine Antwort erhoffe? Nein, die Blume hat sich mir zugeneigt. Ihr Blütenkranz wird von der gleißenden Mittagssonne vergoldet. So strahlt sie mir als Mini-Sonne entgegen.
„Du gehst nicht achtlos an mir vorüber, sondern bewunderst mich und beneidest mich dafür, dass ich frei von all dem hier lebe, wohingegen Euer eigenes Euch zu Marionetten selbstgewählten Strebens hat werden lassen. Ihr zahlt dafür einen hohen Preis.
Viele erkennen nicht mehr die Schönheit der Natur, übersehen solch bescheidene Blume wie mich oder anderes winziges Leben. Ich freue mich über jeden Menschen, der all dies schätzt und es nicht etwa gar gleichgültig zertritt.Du hast mich liebevoll in Deinem Garten begrüsst. Ich danke Dir dafür. Ich will blühen, um Dich glücklich zu machen. Es ist mein einziges Ziel."
Sprichts, nickt noch einmal mit dem Kopf und steht dann dort still wie vordem.
Ich sinne über ihre Worte nach. Gerührt kniete ich ich mich zu ihr und sehe sie noch lange an. Sie ist mir mit Zartheit und Zuneigung begegnet. Es macht mich glücklich!!