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In Memoriam

Von Feierabend-Mitglied Mittwoch 01.05.2024, 13:45

In Memoriam

Sie ist verschwunden aus den deutschen Haushalten. Bis in die 70ger Jahre war sie zumindest aus den dörflichen Haushalten nicht wegzudenken. An meine Oma kann ich mich ohne sie überhaupt nicht erinnern. Denke ich an meine Mama, sehe ich sie vor mir, wie sie mit zwei Netztaschen voller Gemüse aus dem Garten kommt und auch sie trägt sie selbstverständlich. Einmal im Jahr fuhren die Oma und die Mama mit dem Omnibus „ins Reich“, wie man bei uns sagte, wenn man aus dem Département de la Sarre, dem französischen Saargebiet wo wir zuhause waren, nach Deutschland. In dem Fall nach Trier. Ziel in Trier war das Kaufhaus „Zur blauen Hand“. Wie kam das Kaufhaus zu dem ungewöhnlichen Namen. In der Chronik des Kaufhauses steht: Im Jahr 1797 eröffnete Johann Nicolaus Müller, seines Zeichens Blau- und Schönfärber, eine Färberei und einen Tuchhandel am Weberbach in Trier. Da der Blau- und Schönfärber Johann Nicolaus Müller immer gleichzeitig in der Färberei und im Geschäft zugange war, hatte er keine Zeit, die blauen Farbrückstände an den Händen zu entfernen. So war er stets mit einer blau gefärbten Hand anzutreffen und die Trierer nannten ihn und seinen Laden „Zur Blauen Hand“. In eben diesem Kaufhaus „Zur blauen Hand“ gab es, heute unvorstellbar, eine über zwanzig Meter lange Regalwand, wo Kleiderbügel an Kleiderbügel die Schätzchen hingen, von denen die Oma und die Mama Jahr für Jahr eine haben wollten: eine Kittelschürze!!! Hatten beide eine hübsche neue Kittelschürze gekauft, wurde diese ab dem nächsten Tag an jedem Tag angezogen. Die alte Kittelschürze trugen sie bei der Stallarbeit. Weder die Oma noch meine Mama haben jemals eine Hose getragen, nein, immer Rock und Bluse und darüber die Kittelschürze.
Mindestens 40 Jahre habe ich keine Frau mit einer Kittelschürze gesehen. Und gestern, bei dem schönen Spätsommerwetter ging ich auf der Donaupromenade spazieren. Ich setzte mich auf eine Bank und schaute den Schiffen auf der Donau zu. Da hörte ich auf dem Weg hinter mir ein paar Frauen laut und lebhaft erzählen und lachen. Auf russisch. Ich drehte mich um und sah drei ältere Damen, die sich offenbar köstlich amüsierten und unterhielten. Und was trugen sie? Jede eine bunte Kittelschürze! Und sie sahen gut aus.

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