Kinderlandverschickung
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Feierabend-Mitglied
Samstag 14.12.2024, 10:44
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Kinderlandverschickung
1951 hatten wir für etwa 6 Monate ein Mädchen aus Berlin in unserer Familie, die nur noch aus Haut und Knochen bestand. Ich war vier Jahre alt, sie sieben Jahre, aber sie wog weniger als ich. Wenn sie in der Badewanne stand, konnte man die Rippen zählen. Wo vier Kinder satt werden, werden auch fünf satt, sagte meine Mama und sie päppelte das Mädchen auf. Wir hatten dank unserer Kühe und Ziegen und dem großen Bauerngarten und den Kartoffel- und Getreidefeldern genug zu essen. Nie haben wir Hunger gekannt. Und das Mädchen, sie hieß Eva Maria, blühte richtig auf und nahm deutlich an Gewicht zu. Das Mädchen hat bei uns zum ersten Mal im Leben Kühe und Ziegen gesehen und sie ging mit Begeisterung mit in den Stall zu den Hühnern, um die Eier einzusammeln. Sie liebte frisch gemolkene Milch, die sie noch nie getrunken hatte. Oma rührte ihr einen großen Löffel Bienenhonig in die warme Milch. Es hat eine ganze Weile gedauert bis sie gelernt hatte, daß sie das Essen nicht herunterschlingen mußte, weil immer genug da war. Süßen, warmen Grießbrei hat sie gegessen bis ihr schlecht war. Ich erinnere mich, wie wir auf dem Feld waren und auf einem Eisenblech über dem offenen Feuer Spiegeleier backten. Sie hat geweint vor Glück.
Papa und Mama fuhren mit ihr nach Trier Kleider kaufen, weil ihr nichts mehr von dem, das sie anhatte als sie kam, passte. Unsere Nachbarin, die Tante Cilla, keine richtige, sondern eine Nenntante, ohne Kinder, hatte 200 neue Franc für die Kleider gespendet und dazu noch ein paar nagelneue Romika Lederschuhe. Ich würde sehr gerne wissen, ob Eva Maria, die jetzt 80 Jahre alt ist, noch lebt und in Berlin lebt. Leider weiß ich ihren Nachnamen nicht, der muß ja auch nicht mehr stimmen. Das Programm hieß: Kinderlandverschickung.