Mein Freund Ambrosius (1)
Von tastifix Freitag 24.01.2025, 06:01
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Regelmässig spendiere ich dem gefiederten Orchester im Garten Leckereien. Zwei der Federbälle scheinen mich mittlerweile besonders ge rn zu mögen und besuchen mich jeden Tag: Elster Emilie und Ambrosius.
Emilie legt Wert auf eine hübsch gedeckte Tafel. Mitnichten gibt sie sich mit dem Wiesentischtuch zufrieden, sondern speist von einem Kuchenteller mit verspieltem Blumendekor.
Offenslichtlich hat sie der übrigen Vogelwelt gepfiffen, welch ein wohlschmeckendes Menü hier angeboten wird. Jedenfalls pickt nicht mehr sie allein mir die Krümel vom Kopf, sondern nun leisten ihr eine Spatzenschar und mehrere Meisenpärchen dabei begeistert Gesellschaft. Letztere sind leider scheuer und achten auf deutlichen Sicherheitsabstand.
Vor etwa zwei Wochen ist noch jemand dazu gekommen. Jemand mit sehr viel Stilempfinden. Ein hoch elegant serviertes Mahl verlangt nach einem entsprechend edlem Outfit des Gastes. Also erscheint jener im schwarzen Frack. Weil ´nur in Schwarz` jedoch traurig wirken könnte, trägt er einen gelben Schnabelstift, den er mit hoch erhobenem Kopf stolz präsentiert. Nicht jeder kann damit aufwarten!
Es ist ein Amselmann, der nach und nach seine Scheu verliert. Bin ich in der Küche, hockt er sich wie auf einen Logenplatz im Theater nah vor die Terrassentür, schaut mir bei der Arbeit zu und lässt mich derweil nicht aus den Augen. Jeden Tag spielt sich das gleiche Ritual ab. Nach einigen Tagen beobachte ich ihn nicht mmehr nur, sondern öffne die Tür und begrüße ihn mit leiser Stimme:
„Na, komm her! Klar hab`ich etwas für Dich. Guck` mal!"
Er schaut mich unverwandt an.
Und dann ist es soweit: Wieder mal treffen wir uns. Ich rede sanft mit ihm. Plötzlich legt er den Kopf schief und antwortet:
„Piep, piep!"
Gerührt lächele ich vor mmich hin und erinnere mich an meinen Kanarienvogel aus Kinderzeiten, den ich selber handzahm erzogen und zu dem ich ein äußerst inniges Verhältnis aufgebaut hatte.
Von daher vermag ich das Verhalten und auch die "Sprache" der Vögel zu deuten. Dieses Piep heißt:
„Hallo, hier bin ich wieder. Ich find`Dich nett!"
Doch dabei allein bleibt es nicht. Er hüpft noch ein wenig näher und klappert mit dem Schnabel.
„Bitte, bitte: Hast Du etwas Leckeres für mich?"
Ich denke, dass ich träume und prompt kommt im Düsenjet-Tempo ein besonderer Leckerbissen geflogen. Mein kleiner Gast freut sich sichtlich, tippt mehrmals mit dem Schwanz auf den Boden und piepst mich hell an:
„Danke!"
Wer mich kennt, weiß, was jetzt folgt. Ich denke mir nämlich einen Namen für ihn aus.
„Wie gefällt Dir ´Ambrosius?"
Zuvor nachzufragen, gehört sich so, denn mein neuer Freund ist bereits volljährig. Einen Moment lang schaut er mich grübelnd an. Es ist ja eine schwer wiegende Entscheidung, die er treffen soll. Dann aber blitzen seine Augen fröhlich auf. Zumindest bilde ich mir es nur zu gerne ein.
Sein voller Name:
Ambrosius von Schillerfeder!