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Robert

Von optik Freitag 13.06.2025, 14:15

Das Büro schloss um vier.
Wie von einer inneren Starre eingefangen, fast schon geistesabwesend mechanisch hatte er sich auf seinem Bürostuhl zurückgelehnt. Er hielt noch den Kugelscheiber in der Hand, mit der er eine Notiz festhalten wollte und starte wie gefangen auf den Bildschirm. Seine Zeichnungen waren ihm vom Schreibtisch geglitten und lagen auf dem Boden um ihn verstreut.
In dieser eigenwilligen, fast schon liegenden, den Rücken durchgedrückten Stellung kannten ihn seine Kollegen. Diesen Blick, diese nachdenkliche Haltung kannten seine Kollegen. Er nahm sie stets ein, wenn etwas lange in seinem Kopf arbeitete, er über etwas nachzudenken pflegte oder eine Diskussion auszuufern drohte. Er galt als einer jenen engagierten Mitarbeiter, die immer noch irgendwo einen Joker aus dem Ärmel zogen, wenn eine Situation zu eskalieren drohte.
Jetzt war sein Kopf leer, vollkommen leer. Ein Vacuum hatte sich seiner ermächtigt und es schien, als wäre alles Leben aus ihm gewichen.
„Guten Abend Herr Marten, na -immer noch nicht Feierabend“?
Unvermittelt wurde er aus seiner Lethargie gerissen. Die nette altvertraute Reinigungsfrau stand mit ihrem Utensilien Wagen im Türrahmen. „Ach doch“, sah er auf, „ich mache gleich Schluss“, und obwohl er wie in Trance auf seine Armbanduhr schaute, fragte er: „Wie spät ist es eigentlich“?
„Wochenende, es ist Freitag kurz nach sechs“, antwortete sie. „Eigenartig, was ist mit dem los“, sinnierte sie kopfschüttelnd leise vor sich hin, als sie im Nebenraum die Schreibtische abzuwischen begann.

Achtzehn Uhr, ging es ihm durch den Kopf. Um diese Zeit trafen wir uns bei unserem Italiener. Dann begann für uns beide der geruhsam erholsame Teil nach einer, wie er es empfand, stets erfolgreichen Arbeitswoche. Sie waren beide erfolgreich, hatten sich einen gewissen Standard erarbeitet, der ihnen ein unbeschwertes freies Leben sicherte. Noch an den Italiener denkend, hatte er jetzt einen faden Geschmack im Mund. Was war plötzlich in Denice gefahren? Er hatte sich über ihren Anruf gefreut. Zunächst noch mit ihr geblödelt und scherzt, doch nach einigen Momenten erkannte er aus dem ruhigen Tonfall was es bedeutete: Es war ihr bitterernst. Allmählich begriff er, es war das Ende ihrer Beziehung. Nach und nach versuchte er sich ihre letzten Worte ins Bewusstsein zu rufen. „Hör auf mit dem Unsinn. Es ist alles gesagt, es ist für uns beide besser, wir trennen uns. Ich werde nach Hamburg gehen, -allein. Ohne dich. Und lass mich bitte in Ruhe.

Die Endgültigkeit in ihrer Stimme ließen auch keine weiteren Erklärungen zu.
Er hatte sie in den letzten Monaten nicht wirklich ernst genommen. Mit einem Male war es ihm zum Bewusstsein gekommen, wie oft, -nein immer wieder hatte sie versucht ihm zu erklären, dass sich in ihrem Leben eine neue Situation ergeben hätte. Aber warum hatte es sie dann so vollkommen aus der Bahn geworfen, dachte er jetzt über ihre Worte nach. Sie sprach von dem Punkt, der ihr beider Leben gänzlich umstellen würde und er hatte nur halbherzig oder gar nicht zugehört. Immer wieder versuchte sie es in den vergangenen Wochen, ihm ihre Gedanken klar darzulegen, alle ihre Beweggründe zu erklären. Penetrant empfand er es. Unwichtig und uninteressiert hatte er es, -sich teilweise lustig machend angehört. Nach einem Ausweg suchend, hatte sie fast schon flehentlich ein Gespräch – zu erzwingen versucht. Er hatte sie ausgelacht, sich stur gestellt und uneinsichtig. Außerdem wusste sie doch, dass er derartige Gespräche nicht mochte, er sich mit solchen irrwitzigen Dingen nicht belasteten wollte. Bisher hatte sie nie ihre persönlichen Belange als so wichtig angesehen, schon gar nie darüber gestritten und ihn wochenlang, -fast monatelang damit belästigt und zuletzt genervt.
Ihn wurmte jetzt plötzlich der Gedanke, warum er sich nicht einmal die Mühe gemacht hatte nach dem Grund zu fragen. Sie außerdem nach ihren häufigen und wiederholten Besuche zu fragen? Sie sei mit einer alten Freundin verabredet, rief er sich in die Erinnerung. Aber inzwischen war sie mehrmals, ja direkt sehr häufig nach Hamburg gefahren, sogar länger geblieben, fiel ihm ein. Stimmte das überhaupt, fragte er sich plötzlich, gab es eine Freundin in Hamburg?
Ein leichter Groll stieg in ihm auf. Ihm kam zum Bewusstsein, das er direkt erleichtert reagiert hatte, wenn sie spontan nach einer diese nervigen, stetigen Dispute ihre Tasche packte und die Wohnung verließ.
Auch die Fragen seiner Freunde hatte er nicht ernst genommen. Du kommst allein? Wo ist Denice? Natürlich war ihm vollkommen klar, -er war sich ganz sicher, kannte es nicht anders: Sie kommt zurück, sie kam bisher immer zurück.
Immerhin hatte er bemerkt, dass die freudig innigen Umarmungen mehr und mehr nachließen, dass Denice in den letzten Wochen hektisch, oft stark geschminkt und sich ihm gegenüber vollkommen lustlos und eigenartig zurückhaltend verhielt, wenn er versuchte, hin und wieder liebevoll zu sein. Nun ja -es war Herbst. Migräne, außerdem die Erkältungs- und Grippezeit. Wahrscheinlich, so nahm er doch an, -sie fühlte sich nicht. Schließlich hatte er auf diese Befindlichkeiten Rücksicht genommen! Und er wusste es aus eigener Erfahrung, wie elend man sich mit dem Virus fühlte.
Er hob die Zeichnungen vom Boden auf, schob sie auf dem Schreibtisch zusammen und griff nach seinem Porscheschlüssel. „Schönes Wochenende“, rief die Reinigungsfrau aus einem der Büroräume. Er reagierte nicht. Mit mürrisch, trüben Gedanken verließ er schnellen Schrittes das Gebäude.

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