Und rutsch! (Etwas übertrieben!)
Von
tastifix
Samstag 11.01.2025, 10:48 – geändert Samstag 11.01.2025, 20:05
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tastifix
Samstag 11.01.2025, 10:48 – geändert Samstag 11.01.2025, 20:05
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Ununterbrochen schneite es, mal in dicken, mal in zarten Flocken segelte die kalte Pracht zur Erde. Manchmal aber segelte sie nicht, sondern wurde von starkem Wind wüst durch die Luft gewirbelt.
Am ersten Tag stand ich noch bewundernd am Fenster, neben mir meine Tochter:
„Mama, wie ´ne Märchenlandschaft!“
„Ja, haben wir hier, glaub ich, nur selten gehabt!“
„Sieht wunderschön aus! Mir tun nur die Vögel leid!"
Am Tag darauf verteilte ich Streufutter auf dem Rasen. Zum Glück erinnerte ich mich noch, wo der - von der Terrasse gesehen – in etwa anfing und bis wohin er reichte, denn Grasspitzen sah ich nicht mehr. Die Piepmätze veranstalteten an der Luxustafel begeistert geflügelte Kaffeekränzchen, an denen auch die Männchen teilnahmen. Anscheinend ließ der Hunger sie sogar das weibliche Piepsen um sie herum vergessen.
Am dritten Tag aber betrachtete ich das Schneetreiben weit weniger begeistert. Wir wohnen nämlich im äußersten Süden Düsseldorfs weit ab von der City, sozusagen fast hinter dem rheinischen Mond.
´Wenn das so weitergehen sollte, droht Hausarrest!`
Und die weißen Bällchen fielen weiterhin dicht an dicht. Auf dem Terrassentisch wuchs der Schneeberg in beinahe beängstigender Schnelligkeit.
„Irre, nich?“, meinte ich zum Papa meiner Kinder. „Du, auf dem Tisch liegen mindestens 60 cm Schnee!“
„Quatsch, höchstens 40!“
Ich traute den Augen nicht. Er stapfte tatsächlich in den Garten, maß mit dem Zollstock nach und trumpfte auf:
„39 cm!“
„Also nee, es sind viel mehr, sieht ´nen Blinder mit nem Krückstock!“ -´Typisch Mann!!`
Weihnachten rückte rasch näher und es galt noch einiges zu besorgen. Eine Torte, ein Kuchen und jede Menge Plätzchen standen auf dem Programm. Wegen der Zutaten hätte ich anderthalb Stunden bis zum nächsten größeren Einkaufszentrum zu marschieren, denn die Bahnen und Busse verspäteten sich erheblich oder fielen aus.
Sicherheitshalber griff ich mir die ollsten Boots, die ich besitze. Sie tragen außer der erwünschten tiefen Profilsohle leider zusätzlich sehr auffällige Leuchtstreifen. Die Schuhe hatte mir eine meiner Töchter überlassen, die wohl nicht mehr als wandelnde Laterne herum laufen wollte.
„Hoffentlich ists nicht glatt!“
„Mama, nimm auf jeden Fall das Handy mit und gib Bescheid, wenn ich Dich abholen soll!“
In der Zeitung las ich, wie toll Düsseldorf das Schneechaos im Griff hätte, inklusive des Streuens der Straßen. Der Journalist musste ein anderes Düsseldorf gemeint haben. Dass die kleine Zufahrtsstraße zu unserem Haus nicht mit Streugut versehen wurde, wunderte mich nicht. Dass die etwas breitere Straße zu unserer Zufahrtsstraße ebenfalls in makellosem Weiß glänzte, verzieh ich noch. Aber, dass der vierspurige Durchgangsstraße kein einziger Streukrümel spendiert worden war, fand ich unmöglich, zumal ich an die Mär, dass kein Salz mehr zur Verfügung stehen würde, nicht so recht glaubte.
„Hm, könnte ja die Stadt anrufen und ihnen mein Salz aus der Küche anbieten!“
Doch dafür war es mir zu schade, denn dachte ich an die dreckigen Autoreifen ...
Eingemummelt wie ein Eskimo trat ich aufs Eingangspodest. Selbst dies war eine waghalsige Aktion, denn vereiste Steine sind rutschig. Nach drei mutigen Schritten landete ich im Schnee. Rechts etwa ein Meter davon zusammen gekehrt, links von mir fast ebenso viel. Dazwischen ein Trampelpfad kristalltief sauberer weiße Köstlichkeit, wohlgemerkt, glatt getretener Köstlichkeit. Mit Trippelschritten wie die einer Balletttänzerin überwand ich den Weg bis zur Zufahrtsstraße. Bei deren Anblick allerdings dachte ich vage an Umkehr.
„Nein, keine Torte usw. kommt nicht in Frage!"
Zentimeter für Zentimeter kämpfte ich mich durch die Schneehügel am Straßenrand vorwärts. In den Fahrspuren zu laufen, wäre einem Möchtegern-die-Beine-brechen-Versuch gleich gekommen. Nach wenigen Minuten musste ich aber die Straße überqueren. Sonst wäre ich wer weiß wo gelandet, nur nicht im Einkaufszentrum.
Den Blick starr auf den Boden heftend, nutzte ich winzige Schneehuckel als Antirutsch-Rettungsanker und mogelte mich so um die Kurve. Hier endlich war gestreut worden und aufatmend spazierte ich voran. Doch eine halbe Stunde später war Schluss mit lustig. Es wurde glatt. Erneut am Straßenrand entlang stolpernd, freute ich mich über jeden Meter, den ich ohne Arm- und Beinbruch bewältigte. Es machte geradezu Mut.
„Hallo, seien Sie vorsichtig. Dort vorn wird es spiegelglatt! Ich wär fast gefallen!“
Die mir entgegen kommende Frau hielt nur mit Mühe noch die Balance. Mir plumpste das Herz in die Hose.
´Ich schaff das!`, suggerierte ich mir.
Umzukehren wäre ja auch zu blödsinnig gewesen.
Wirklich erreichte ich eine Stunde später unbeschadet die Geschäftszone und stürzte mich ins Gewühl. Es wühlte so sehr, dass ich kurz darauf fast eine Viertelstunde in der Warteschlange vor der einzigen geöffneten Kasse stand. In Gedanken versunken schaute ich nach draußen:
„Ach du meine Güte!“
Es schneite und wehte wie verrückt - eine einzige weiße Wand! Frustriert trat ich den Heimweg an, schlinderte hier, rutschte dort und marschierte zögerlich weiter. Von allen Seiten peitschte mir Schnee ins Gesiucht, auch in die Nase. Es kribbelte furchtbar. Ich nieste, kramte mit halberfrorenen Fingern nach einem Tempo, stopfte es mit zittriger Hand zurück in die Tasche und zog mir die Kapuze so weit wie möglich ins Gesicht. Eine halbe Stunde später reichte mir der kräftezehrende Kampf gegen das Schneetreiben in dem eisigen Wind und ich versuchte, meine Tochter zu anzurufen. Doch das Handy streikte: Mittlerweile lag der Schnee knieelief. Klitschnass, mit klappernden Zähnen vor Kälte und Händen und Füßen, die ich kaum noch fühlte, schaufelte ich mich wie ein Maulwurf keuchend durch die weißen Berge.
Dreißig Minuten später dann blieb ich erschöpft stehen:
´Ruf mich an!`
Ich griff ein zweites Mal das Handy. Diesmal hatte ich Glück.
„Ja, Mama?“
„Kannst Du mir entgegen kommen?“
„Wo steckst Du denn?"
„Auf halber Strecke!"
„Okay, ich versuch es!“
Ich wartete und wartete. Dann ein Anruf:
„Mama, die Garage ist halb zugeschneit und ich krieg das Tor nicht auf!"
„So ein Mist!“
Mir kam die rettende Idee sie zu beruhigen:
„Mach Dir jetzt bloß keine Sorgen. Notfalls bau ich mir hier ´nen Iglu!“
Und ernähren würde ich mich halt von Nüssen, Backpulver und Vanillezucker.