Weihnachten immer wieder anders
Von Feierabend-Mitglied Montag 23.12.2024, 18:32
Du möchtest die Antworten lesen und mitdiskutieren? Tritt erst der Gruppe bei. Gruppe beitreten
Von Feierabend-Mitglied Montag 23.12.2024, 18:32
Du möchtest die Antworten lesen und mitdiskutieren? Tritt erst der Gruppe bei. Gruppe beitreten
Weihnachten war bei uns das Fest des gemeinsamen Erlebens. Jedoch veränderte sich das Feiern im Laufe der vielen Jahre. Zuerst starb die Schwiegermutter, dann ging das Kind aus dem Haus, später kamen am 24. Dezember die Freunde dazu.
Ein Ritual aber blieb jahrzehntelang erhalten. Am Tag vor dem Heiligen Abend wurde ein schäbiger Umzugskarton aus dem Keller geschleppt, dick beschriftet mit „Weihnachten“, und darunter war aufgeführt „Christbaumständer“, „Christbaumschmuck“, „Räuchermännchen“ usw.
Plötzlich jedoch änderte sich alles mit einem Schlag. Ich war allein. Versteinert sah ich die Zukunft nicht in grauem, sondern in schwarzem Nebel. Vorwärts ging es nur von einem Tag zum anderen.
Und dann kam wieder Weihnachten. Ich feierte mit Freunden, in den darauffolgenden Jahren mit Tochter, Schwester und wieder mit Freunden – harmonische, festliche und auch fröhliche Tage. Es schmerzte nicht, es war nur anders.
Dann baute sich irgendwann ein Mann vor mir auf. „Halt! Zwei Jahre habe ich still auf Dich gewartet und ich wünsche mir nichts mehr, als dass wir unseren Weg gemeinsam fortsetzen.“ Viele bewegende Worte durfte ich in mich aufsaugen. Sie haben ihre Wirkung nicht verfehlt.
Und dann stand wieder Weihnachten vor der Tür. Selbstverständlich feierten wir gemeinsam – bei ihm. Als ich seine warme, gemütliche Wohnküche betrat, stand das „gute“ von der Mutter geerbte, handgespülte Porzellan bereits glänzend auf der Anrichte - voller Erwartung auf die leckeren Festtagsspeisen. Gans und Co. lagerten schon in Kühlschrank und Speisekammer, weitere lukullische Köstlichkeiten wurden gerade dem Auto entladen.
Während der Hausmann schleppte und schleppte, stieg ich die Treppe hinauf zum Wohnzimmer. Unter einem der drei Fenster war der runde Tisch abgeräumt und vorbereitet für den Weihnachtsbaum. Und dann entdeckte ich ihn - einen alten Umzugskarton, etwas ausgebeult und abgeschabt, beschriftet mit großen Lettern: „Weihnachten“, und darunter „Kugeln“, „Adventskalender“, „Nussknacker“ usw. Auch er wurde vermutlich jahrzehntelang zu Weihnachten aus seiner dunklen Ecke befreit.
Eine ungeheure Wärme stieg in mir auf, durchflutete die Stube und das Haus. Ich hatte ein Stück innerer Heimat wiedergefunden.
Ein Jahr später wieder Tränen. Er hat es nicht geschafft. Ich hätte doch meine Kiste aus dem Keller geholt, doch seine Kraft hat nicht gereicht. Das Weihnachtsfest sechs Wochen später war besinnlich und gemütlich im Kreis meiner Familie.
Inzwischen sind schon wieder Jahre verstrichen, die Enkel erwachsen und hinausgegangen in die weite Welt. Doch die Tickets sind gebucht. Zwei mal Singapur-Hamburg. Zwei mal Tübingen-Hamburg und einmal Frankfurt-Hamburg. Wir werden einen Baum schmücken aus einem inzwischen bei der nächsten Generation ebenfalls alt gewordenen und schäbigen Karton. Es steht "Weihnachten" auf dem Klappverschluss. Die Katze streicht um den Baum und versucht, die Kugeln zu erhaschen. Aus Erfahrung bleiben die unteren Äste deswegen ungeschmückt. Wir werden Kerzen anzünden, puzzeln, malen, spielen, stricken und Tee trinken. Wir feiern Weihnachten!