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Wo die Liebe hinfällt

Von Feierabend-Mitglied Dienstag 30.11.2021, 12:00 – geändert Dienstag 30.11.2021, 12:10


Stolz breitet er seine roten Blätter aus - der Weihnachtsstern - und thront auf einer Keramiksäule, die wir vor mehr als 50 Jahren von Spanien nach Deutschland transportiert haben - in einem VW-Käfer.

Damals zuhause ausgepackt, aufgestellt und mit einem riesigen Farn geschmückt. Alle Freunde waren begeistert. Alle, auch Ulla, die sich ab sofort nichts mehr wünschte als genau so eine handbemalte Säule. Ulla war mit Helmut liiert, hatte aber bisher alle seine Heiratsanträge abgelehnt. Der Grund war Kinderlähmung. Beide waren durch diese Krankheit von Jugend an stark beeinträchtigt, und Ulla mehr als er. Sie wollte keine Belastung für ihn werden.

Da Ulla immer wieder von dieser Keramiksäule schwärmte, wurden wir irgendwann weich und versprachen, ihr ein Exemplar aus Spanien mitzubringen, wenn, ja wenn sie endlich Helmut heiraten würde.

Bei der Rückreise aus dem Süden im nächsten Sommer fuhren wir nach La Bisbal, einer bekannten Keramikstadt in der Nähe der Costa Brava, und fanden tatsächlich noch einmal diesen grünbemalten Wunschtraum. Gekauft und eingepackt, zu Hause zunächst im Keller untergebracht bis zur eventuellen Hochzeit. Unseren Umzug in eine neue Wohnung musste der große Karton auch miterleben, doch dann kippte er um und der Topf zerbrach. Traurig und teuer.

Da Spanien unser Hauptreiseland ist, fuhren wir im nächsten Urlaub wieder nach La Bisbal. Leider war keine Säule in Grün zu finden, nur Blau oder Braun. Doch Ulla wollte Grün. Der mir angetraute Ehemann erwähnte, dass ich mich bei einer eventuellen Hochzeit von meiner Säule trennen müsse, es gäbe keinen anderen Ausweg. Ein Sturzbach von Tränen schoss mir aus den Augen. Meine Säule? Ich liebte sie so sehr, niemals könnte ich sie hergeben. Nach stundenlangem Überlegen und Hin und Her von einem Keramikladen zum nächsten - und das in sengender Sonne - entschlossen wir uns zu einem Exemplar in Blau - für Ulla, für den Fall der Fälle.

Zu Hause kam auch dieser Karton zunächst einmal in den Keller. Ulla wurde darüber informiert, dass das Hochzeitsgeschenk besorgt ist und sie nur noch Ja sagen müsse. Immer wieder und bei jedem Treffen haben wir ihr diese Säule versprochen, aber eben nur mit Ehering.

Eines Tages wandert mein Göttergatte in der Firma durch die hauseigene Druckerei und staunt dort über einen Karton mit gedruckten Heiratsanzeigen. Ulla und Helmut haben am soundsovielten in Gelnhausen geheiratet. Der Termin lag allerdings in der Zukunft und diese Karten sollten wohl nach der Trauung verschickt werden. Große Freude herrschte jetzt auf unserer Seite. Wir mussten nicht mal über ein Hochzeitsgeschenk nachdenken, das stand ja im Keller.

Leider war die Uhrzeit der Trauung nicht angegeben und so rief ich kurzentschlossen das Standesamt in Gelnhausen an: "Bitte sagen Sie mir, um welche Zeit am soundsovielten die Trauung von Ulla und Helmut stattfindet." "Wir dürfen keine Auskunft geben, das tut mir leid," sagte die Dame am Telefon. Ich blieb hartnäckig, erzählte die ganze Story von der Säule und bekam die Auskunft, dass um 12 Uhr eine Trauung stattfände, leider könne sie mir aber die Namen nicht nennen.

Ich hätte sie küssen können.

Am Hochzeitstag fuhren wir gemeinsam mit Ulrike und Dieter und weiteren Freunden nach Gelnhausen, bauten zwei Minuten nach 12 Uhr einen Tisch vor dem Rathaus auf mit Sektkübel und Gläsern. Daneben die blaue Säule mit einer riesigen rotblühenden Anthurie. Dann trat das Brautpaar auf die Straße. Und es war nicht Ulla, die in Tränen ausbrach, es war Helmut. Er war noch gerührt von der Zeremonie vorher; endlich war Ulla die Seine, und dann diese Überraschung.

Wir besitzen noch immer diese Säulen. Ich in Grün und Ulla in Blau. Meine bekommt in jedem Jahr einen Weihnachtsstern und bei Ulla und Helmut blüht noch immer eine Anthurie im blaubemalten Topf. Es ist aber sicher nicht mehr die erste aus Gelnhausen. Über die grüne Säule, deren Topf im Keller zerbrach, freute sich später meine Schwester. Und für eine braunbemalte Säule fuhren Ulrike und Dieter nach La Bisbal. Auch sie hatten sich in diese Keramik verliebt.

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