Ich bin Rambo Teil 3
Von
comanchemoon
Mittwoch 25.10.2023, 12:52
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comanchemoon
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Aber irgendwie sah ich es als Aufgabe an, meine pelzlose Familie zu beschäftigen. Und so würden sie in nächster Zeit seltsame Stanzmuster an ihren Schuhen finden. Teilweise waren sie auch zerfleddert und unangenehm nass beim Anziehen. Schnürsenkel fehlten grundsätzlich, weil es ganz einfach Spaß machte, sie aus den Schuhen zu ziehen. Aber ich weiß nicht, warum sich meine Familie so sehr darüber aufregte, sie bekam doch Rabatt darauf, weil sie die Bänder dutzendweise kaufen musste. Meine Geschicklichkeit stellte ich auch unter Beweis, indem ich Einlegesohlen aus den Schuhen herauspuhlte und zerkaute. Heinrich bemerkte dazu, er wüsste ja, dass Hunde auch Aasfresser seien, aber ich würde doch wohl genügend frisches Futter bekommen. Das schon, aber damit spielte ich nicht.
Ja, und dann waren meine Leute wohl eines Tages endlich so dressiert, dass sie Schuhe künftig nur noch auf oder im Schrank aufbewahrten.
Als neues, interessantes Objekt entdeckte ich nun sogenannte Teppichbrücken. Ich schlenkerte sie mir mit Vorliebe um die Schlappohren, die mir in dem Stadium des Welpendaseins noch in den Wasser- und Fressnapf hingen. Mit Vorliebe zerrte ich die echten – von Oma geschenkten – Perser und Afghanen in den Garten. Am liebsten, wenn es regnete. Manchmal versuchte ich auch, eines der guten Stücke einzugraben. Das hatte zur Folge, dass Teppiche irgendwo im Keller verstaut wurden und ich mir neue Beschäftigungen suchen musste. Langweiliges Hundespielzeug interessierte mich eher mäßig.
Eines Tages, als Heinrich zur Arbeit wollte, fand er seine Brille nicht. Hatte er sie nicht gestern Abend auf den Couchtisch gelegt? Alle suchten und endlich entdeckte Tim etwas auf dem Fußboden. „Hier ist wenigstens deine alte Brille!“, sagte er zu seinem Vater.
Der nahm sie und stieß einen Schrei aus, der an ein prähistorisches Lebewesen erinnerte.
„Das ist meine Neue. Hat mich vor vierzehn Tagen einen Tausender gekostet, weil die Krankenkassen ja nichts mehr dazu bezahlen!“
Später erfuhr ich aus verschiedenen Unterhaltungen, dass wenigstens der Optiker sich über meine Arbeit gefreut hatte. Mit gierig glitzernden Augen erkundigte er sich nach meinem Alter. Heinrich bekam einen Rabatt und künftig gab es eine Karte zu seinen Geburtstagen und auch zu Weihnachten sowie einen Kauknochen für mich.
Eigentlich sollte meine Familie ja langsam gelernt haben Ordnung zu halten und nichts mehr auf dem Couchtisch liegen zu lassen. Obwohl noch lange nicht ausgewachsen, kam ich prima da dran. So sah ich bei einem meiner nächtlichen Streifzüge das kleine Täschchen dort liegen, das Heinrich meistens bei sich trug, wenn er in einen Laden ging und mit etwas Interessantem – so wie Bockwurst - wieder herauskam. Das war einer genaueren Untersuchung wert. Ich schnappte es mir und kaute auf dem Leder herum. Gut für die Zähne. Einige bunte Papierchen, die in dem Behältnis steckten, kamen dabei heraus und ich spuckte sie wieder aus. Schmeckte nicht!
Am nächsten Morgen wollte Heinrich das Ding einstecken und ich registrierte, dass er ein Stück Papier anstarrte, das seltsam zerknüllt daraus hervorlugte.
„Ein Zwanziger!“, stammelte er. „Wo sind der Hunderter und der Fünfziger?“
„Ach herrje, schau Papa, die Fetzen liegen hier!“ Tim wies auf den Fußboden. Ja, was soll ich aus heutiger Sicht sagen? Nur die großen Scheine hatten mir offenbar geschmeckt. Für die Wiederbeschaffung der Geldscheine gab es aber leider keinen Rabatt.
Da meine Pelzlosen kurz danach auch einige Bücher, darunter „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“ und Rupert Sheldrakes „Morphogenetische Felder“ zerkaut vorfanden, gewöhnten sie sich an, nichts mehr auf dem Tisch liegen zu lassen.
Den nächsten Rabatt bekam meine Familie für Telefonkabel. Da ich keine Bücher, Schuhe und Portemonnaies zum Zerkauen mehr hatte, rückte ich etwa eine Woche lang das Schränkchen beiseite, auf dem ein Ding stand, in das Mona Marie manchmal stundenlang hineinsprach. Hinter dem Schrank hing eine Schnur, die sich herrlich zum Zerren, Ziehen und Zerbeißen eignete. Ich hatte nun einmal spitze Welpenzähne.
Offensichtlich war Heinrich nicht begeistert. Er musste tagtäglich in den nächsten Supermarkt, um eine neue Schnur zu holen. Dabei beklagte er sich, dass die Verkäuferin ihn immer seltsamer musterte und offenbar eine Reihe kritischer Bemerkungen hinunterschluckte. Er sah sich dann genötigt, einen Kabeltunnel zu bauen. Ich verfolgte die Bastelei interessiert und kletterte dabei auf ihm herum, weil er auf dem Fußboden saß. Ja, und dann zerknackte ich die Konstruktion mit meinen weißen Zähnen. Es knirschte herrlich und ich verstand gar nicht, warum Heinrich schimpfte: „Pfui!“, und: „Das macht man nicht!“, und: „Lass das sein!“, und: „Verdammter Köter!“
Ich war zwar kurzfristig beleidigt, aber das nützte ihm nichts. Zwei Umbauten malträtierte ich mit Hochgenuss, dann wandte ich mich anderen Beschäftigungen zu.