Ich bin Rambo Teil 5
Von comanchemoon Freitag 27.10.2023, 11:54
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Als ich ungefähr acht Monate nach der Rechnung der Pelzlosen alt war, kam der große Moment, ich konnte mein Bein heben ohne umzufallen und pinkelte nicht mehr in Hündinnenhaltung. Außerdem war ich jetzt größer als Cleo, die von der Stärke her keine Chance mehr gegen mich hatte. Nur vor ihren Schäferhundzähnen hatte ich Respekt und hielt vorsichtshalber Abstand, wenn sie diese zeigte. Aber sonst verstanden wir uns ganz gut und ich muss zugeben, es war hauptsächlich Cleo, die für meine Erziehung sorgte.
Meine Familie sagte immer, ich sei ein sehr sozial eingestellter Hund. Ich putzte den Kater und ich putzte Cleo. Wollten sie nicht gewaschen werden, stellte ich einfach eine Pfote auf sie und drückte sie nieder. Gegen diese Art von Brachialgewalt waren sie machtlos und gaben nach. Übrigens habe ich auch festgestellt, dass sich auf diese Art kleine Hunde, die mich ankläfften, in Schach halten ließen. Einfach Pfote drauf – und sie waren still, aber auch teilweise platt und streckten alle Viere von sich.
Ich war auch sehr anhänglich und wollte mit meiner Familie oft schmusen. Sie liebten es, in mein weiches, flauschiges Fell zu greifen. Ja, und da sie es trotz guter Vorsätze und ausreichender Literatur versäumt hatten mich richtig zu erziehen, bestimmte ich, wann ich Streicheleinheiten brauchte und wann es genug war. Wenn meine Pelzlosen nicht reagierten, boxte ich sie mit meinen dicken Bärentatzen. Ja, diese Riesenpfoten konnte ich erstaunlich geschickt einsetzen, besonders zum Betteln. Dabei war ich aber wählerisch bei der Auswahl meiner Leckereien. Ich aß keinen Aufschnitt oder Schinken. Das roch widerlich und ich ahnte, dass da immer Sachen drin waren, die nicht hineingehörten. Ein Leberwurstbrot mal eben so nebenbei akzeptierte ich. Ja, und Bockwurst – Bockwurst von dem Fleischer aus unserem Ort – dafür hätte ich getötet. Und ich erinnere mich an Hundekuchen. Bonzo wurde der genannt. Das war das allergrößte. Schon bei dem Klang des Wortes „Bonzo“ wurde ich nervös. Meine Familie gewöhnte sich dann an, nur noch von dem Wort mit „B“ zu sprechen. Natürlich merkte ich das, weil sie ja an Bonzo dachten und die Leckerei imaginär vor ihren Augen stand.
Ich setzte meine Pfoten aber auch für das Öffnen von Türen ein. Mit wahrer Leidenschaft öffnete ich die Haustür und konnte so raus und rein wie ich wollte. Ich gebe zu, dass das Holz dabei ein wenig zerkratzt wurde. Mona Marie sagte einmal, dass die Spuren an der Braunschweiger Burg, die angeblich vom Löwen des Herzog Heinrich stammten, auch nicht eindrucksvoller wären.
Meinem Heinrich ging die Entwicklung dieser Dinge sehr gegen den Strich. Um die Tür einigermaßen zu schützen, nagelte er von innen Blech und Sperrholz an die malträtierte Stelle um die Klinke herum. Es war für die Pelzlosen zwar kein schöner Anblick mehr, aber Mona Marie nannte das individuell.
Klingelte es an der Haustür, war ich meistens zuerst da. So schnell wie ich mit meinem Vierradantrieb waren die anderen nicht. Notfalls drängelte ich sie mit einem eleganten Schwung meines Hinterteils einfach beiseite, setzte mich, legte eine Vorderpranke auf die Klinke und zog die Tür nach innen auf. Wenn der Besucher flink genug zur Seite steppte, konnte er vielleicht vermeiden, dass ich ihm sofort beide Vorderpfoten auf die Schultern legte und ihm mit meiner großen, feuchten Zunge zur Begrüßung einmal quer über das Gesicht schlabberte.
„Rambo, nein!“, und: „Runter!“, und: „Lass das!“, diese verzweifelten Rufe prallten an mir ab wie Volkeswille an Politikern. Ich wollte einfach nur meinen Spaß.
Da sich das bald in einschlägigen Kreisen herumgesprochen hatte, bekamen wir keine Vertreter- und Zeitungswerberbesuche mehr. Auch mussten meine Leute jetzt Strom, Gas und Wasser selber ablesen. Der Rentner, der das sonst für die monopolistischen Halsabschneider nebenbei tat, die diese unentbehrliche Ware lieferten, hielt mich wohl für einen Bären und hatte Angst.
Der Briefträge wusste auch Bescheid, blieb in seinem Auto sitzen und hupte, wenn Post für uns da war. Unbegreiflicherweise hatte auch er Angst. Dabei hatten wir schon einen Briefkasten außerhalb der Umzäunung am Haus angebracht. Na ja, ich gebe zu, manchmal sprang ich mit der Wucht meiner dreiundachtzig Kilo gegen das Tor, das aufgrund dieser Behandlung bedrohlich ächzte und schwankte. Dazu brüllte ich aus tiefster Brust und Überzeugung dröhnend: „Wuff, wuff!“ Manchmal bellte und heulte auch Cleo noch dazu in allen Tonlagen nach allerbester Schäferhundmanier.