Umwege

Anne*: Ich arbeitete damals in der evgl. Kirche. Manuel war Pfarrer und mein Chef. Optisch gefiel er mir, charakterlich war er mir zu bieder und gefällig. Er fand mich zu laut und aufmüpfig. Wir stritten viel. So auch auf seiner Geburtstagsfeier, zu der er alle Mitarbeiter einlud. Danach bat er mich um ein Gespräch. wir gingen spazieren. Ich rechnete nicht damit, dass er mir an diesem Tag seine Gefühle gestehen würde. Er war verheiratet, hatte zwei Kinder. Ich war auch verheiratet, mit Kindern hatte es aber noch nicht geklappt.

Nach Manuels Gefühlsoffenbarung beschlossen wir, uns aus dem Weg zu gehen. Auch ich hatte mich verliebt, und sagte es ihm, aber wir redeten uns ein, das sei eine Hormonverwirrung. Wir trennten unsere Arbeitsbereiche.

Einige Monate später waren wir beruflich zusammen unterwegs, und trotz aller Vorsätze schliefen wir miteinander. Und ich wurde schwanger.
Ich erzählte ihm, dass das Kind von ihm ist. Meinem Mann erzählte ich es nicht. Auch Manuel hielt es geheim. Wir wollten unsere Ehen nicht aufgeben und niemanden verletzen. Ich suchte mir einen anderen Job in einer anderen Stadt.

Wir hatten lose Kontakt, seinen Sohn sah Manuel manchmal heimlich.
Irgendwann fuhr er mit seiner Frau in den Urlaub und schrieb mir eine Karte. Darin machte er mir völlig überraschend einen Heiratsantrag. Er wollte seine Frau verlassen. Aber dann tat er es doch nicht.

Als unser Sohn drei Jahre alt war, trafen wir uns zufällig. Danach zog Manuel bei seiner Familie aus. Ich wollte sicher sein, dass er mich nicht versetzt, und verließ meinen Mann erst Wochen später. Es fiel mir nicht leicht, aber es war richtig. Heute sind Manuel und ich Eltern dreier gemeinsamer Kinder, die bald erwachsen werden. Trotz all des Schmerzes, den wir anderen bereitet haben, bereuen wir es nicht, dass wir vor 20 Jahren auf so kompliziertem Weg zueinandergefunden haben.

Kopie Artikel Lexikon der Liebe Nr. 18 Zeit Magazin