Meine Gedanken zum Ableben von Gerhard Baum
Von
Grunewaldturm
Mittwoch 19.02.2025, 10:03
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Grunewaldturm
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Im Tagebuch habe ich zweimal versucht, unsere Mitglieder auf dieses Thema aufmerksam zu machen, aber es hatten nur wenige etwas dazu zu sagen. Und wenn sie etwas kommentierten, hatte es wenig bis gar nichts mit dem Thema, warum die Politikverdrossenheit in unserem Land so groß ist, zu tun. Also versuche ich es bei den Experten der Politikdiskussion Runde noch einmal und hoffe hier auf mehr Verständnis zu stoßen.
Als ich hörte, dass der ehemalige Innenminister Gerhard Baum im Alter von 92 Jahren gestorben ist, ein Mann mit absolut ehrlichem Charakter der sein Leben lang seine Zeit und Energie dafür eingesetzt hat, für unsere Demokratie zu kämpfen, schossen mir gerade zu schlagartig Erinnerungen durch den Kopf, die seit dem Beginn der Bundesrepublik Deutschland zu meinen Denkwürdigkeiten besonderer Art gehören.
Dr. Konrad Adenauer, CDU, der ja bekanntlich mit einer Stimme Mehrheit (seiner eigenen) zum Bundeskanzler gewählt wurde und der dann, unter der Aufsicht der Alliierten in Bonn, seine Vorstellungen von politischer Führung verwirklichte, war beileibe kein Demokrat. Wie sollte er auch? Der damals 73-Jährige regierte schon als Oberbürgermeister von Köln die Stadt nach seinen eigenen, ganz persönlichen Vorstellungen in der Zeit des Kaiserreichs.
Die ersten Gehversuche der Demokratie während der Weimarer Republik waren zwar damals nicht vergessen, denn sie wurden bei den Formulierungen unseres provisorischen Grundgesetzes weitestgehend berücksichtigt, aber in den Köpfen der meisten deutschen hatte die nationalsozialistische Diktatur tiefe Spuren hinterlassen. Die ja bekanntlich bis heute nicht beseitigt sind und noch immer nachwirken.
Im Bonner Bundestag wurde damals um jede politische Frage heftig, aber respektvoll gerungen.
Im Laufe der Zeit haben sich die Verhältnisse in unserem Land verändert. Heute gehört "Politikverdrossenheit" zu den allgegenwärtigen Worten in unserer Gesellschaft. Die Meinungen darüber, warum das geschehen konnte, gehen teilweise weit auseinander.
Viele Umfrageergebnisse verwiesen auf ein vermehrt gestörtes Verhältnis von größeren Teilen der Bevölkerung gegenüber der institutionalisierten Politik und einen eklatanten Verdruss über die Akteure auf der politischen Bühne.
Schon Anfang 2004 verkündete die "Frankfurter Rundschau" in einem Artikel: "Das Vertrauen in die Politik ist weg.
Im Regierungslager rätselt die politische Klasse heute über den historischen Ansehensverlust, in dem Züge von Verachtung spürbar sind.
Die politische Klasse ist z.Z. auf die Abstiegsplätze der gesellschaftlichen Wertschätzung abgesunken.
Der Regierung vertrauen danach noch gerade 18 %, den Parteien sogar nur noch 12 % der Menschen hier im Lande.
Politiker sind nun mal das Spiegelbild unserer Gesellschaft. Es sind sozusagen Menschen wie du und ich, nicht schlechter, aber auch nicht besser. Die Mehrheit unserer Bevölkerung sucht immer zuerst einen Fehler bei anderen, nicht bei sich selbst. Und genau das machen Politiker ebenfalls. Sie sollten sich also nicht darüber wundern, woher die Ablehnung der Bevölkerung gegenüber Regierung und Parteien stammt.
Zu unserer aller Erinnerung möchte ich einige Beispiele anführen, die zu dem Glaubwürdigkeitsverlust beigetragen haben.
Da wäre zuerst einmal der CDU Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Uwe Barschel zu nennen.
Der hatte sich am 18. September 1987 vor die Kameras gestellt und Folgendes zu Protokoll gegeben.
„Ich versichere Ihnen mit meinem persönlichen Ehrenwort, dass die Vorwürfe gegen mich nicht gerechtfertigt sind“.
Er versuchte damals ein letztes Mal, die Fassade des rechtschaffenen Politikers zu wahren, Vorwürfe als Verleumdungen abzutun und das Vertrauen der von ihm beschworenen Bürgerinnen und Bürger seines Bundeslandes zurückzugewinnen.
Einen Monat später war er als Lügner entlarvt. Ruf, Ehre, Karriere und sein Leben hatte er verspielt.
Der Fall Björn Engholm SPD.
Uwe Barschel hat mit einer Verleumdungs- und Bespitzelungskampagne seinem politischen Gegner Björn Engholm (SPD) schaden wollen. Am 7. September bringt das Hamburger Nachrichtenmagazin Der Spiegel den ersten Artikel über schmutzige Tricks im Kieler Wahlkampf. In Anlehnung an den "Watergate"-Skandal um US-Präsident Richard Nixon bekommen die Vorgänge im hohen Norden den Namen "Waterkantgate".
Als am 31. Mai 1988 bekannt wurde, dass der SPD-Politiker von den Aktivitäten Barschels und seines Referenten Pfeiffer schon lange vor dem Wahlkampf wusste, aber aus wahltaktischen Gründen geschwiegen und behauptet hatte, davon keine Kenntnis gehabt zu haben, zog er am 3. Mai 1993 die Konsequenz aus seiner Falschaussage und trat von seinem Amt zurück.
Da war der Fall Jürgen Möllemann FDP.
Möllemann, ehemaliger Vizekanzler, Bundeswirtschaftsminister und stellvertretender FDP-Vorsitzender, war am 5. Juni 2003 bei einem Fallschirmabsprung tödlich verunglückt. Vieles sprach damals für einen Selbstmord. Möllemann hatte sich in den Monaten zuvor mit seiner Partei überworfen, nachdem er im Bundestagswahlkampf 2002 auf eigene Kosten israelkritische Flyer hatte drucken lassen. Er wurde anschließend aus der Bundestagsfraktion ausgeschlossen.
Gleichzeitig hatte Herr Möllemann aber auch noch Ärger mit der Steuerfahndung. Der langjährige Parteichef von Nordrhein-Westfalen, hatte seinem Landesverband zwischen 1996 und 2002 Sach- und Barspenden über insgesamt rund 2,2 Millionen Euro zukommen lassen, deren Herkunft aber verschleiert. Seinetwegen musste die FDP 2 Millionen € Strafe zahlen.
Der Fall Helmut Kohl und die Spendenaffäre:
Der Skandal um die schwarzen Kassen des Ex-Kanzlers erschütterte seinerzeit die CDU bis in die Grundfesten.
Die Spendenaffäre, die im November 1999 mit einem Haftbefehl des Augsburger Landgerichts gegen CDU-Schatzmeister Walther Leisler-Kiep begann, hatte einen Schock in der Republik ausgelöst. Dr. Helmut Kohl hatte jahrelang Millionen in schwarzen Kassen anlegen lassen und mithilfe seines Schatzmeisters, vorbei am Finanzamt, auf Schweizer Konten verschoben.
Ich könnte auch noch vom Stimmenkauf von zwei CDU-Parlamentariern durch die Stasi, die zur Wahl von Willy Brandt führte, sprechen und die Liste ins Unendliche verlängern.
Aber ich denke, damit könnte ich es ziemlich deutlich gemacht haben, dass es eigentlich die Politiker sind, die sich an die eigene Nase fassen sollten, wenn Sie sich fragen, warum ihnen die Bürger heute nicht mehr vertrauen ...