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Integriert doch erstmal uns

oder

Die ostdeutsche Seele verstehen


Es war unser erster Lese-Treff im Jahr 2019, und gleich an diesem 15. März erlebten wir eine kaum enden wollende Diskussion. Der Grund liegt auf der Hand: Nomoko hatte Petra Köppings Streitschrift für den Osten „Integriert doch erst mal uns!“ ins Gespräch und zum Lesen gebracht.
Klar, dass die Autorin - Staats- und Rechtswissenschaftlerin aus Grimma und seit Herbst 2014 Sächsische Staatsministerin für Gleichstellung und Integration – uns mit ihrer Thematik direkt angesprochen hat. Denn das, was sie recherchiert und aufgeschrieben hat, trifft direkt die ostdeutsche Seele.
Wir alle haben unsere Erfahrungen mit dem Leben in der DDR, mit der Wende 1989, mit dem Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland, mit dem Leben danach. Nicht jeder einstige DDR-Bürger läuft heute jubelnd durch das geeinte Deutschland. Umso interessanter, aus ziemlich berufenem Munde zu lesen, wie was mit wem und von wem einst gesteuert wurde – einfach, was wirklich geschah.
Die Proteste heute in Sachsen waren für die Autorin der Schlüssel, sich intensiver mit der Problematik Ost-West-Zusammenwachsen (?) zu beschäftigen. Damit, warum es grollt im sächsischen Lande, und nicht nur dort. Was die Flüchtlinge damit zu tun haben, warum ihnen viel Skepsis und viel Ablehnung entgegenschlägt.
Petra Köpping ist zu den „Wutbürgern“ in Sachsen gegangen, nicht nur einmal. Sie hat ihnen zugehört. Und sie hat ihre Fragen und die Antworten der Befragten öffentlich gemacht. Der Buchtitel spricht dafür Bände: Integriert doch erst mal uns. So das Fazit der Forderungen der Gesprächspartner. Verbunden mit der Frage: Sind wir Ostdeutschen Bürger zweiter Klasse? Gefordert wird eine gesamtdeutsche Aufarbeitung der Nachwendezeit.
In der Streitschrift – kein Roman! - geht es um Demütigungen, Kränkungen, Ungerechtigkeiten, Lebensbrüche, Entwurzelungen ostdeutscher Frauen und Männer. Um eine verfehlte Treuhandpolitik. Um den Eliteaustausch – Westdeutsche übernahmen die Schlüsselpositionen in Politik und Wirtschaft des Ostens - , Abwertung von Berufsabschlüssen, Verlust von Betriebsrenten - noch heute erhält der Ostrentner weniger Geld für seine geleisteten Arbeitsjahre als der Westrentner -. Besonders schmerzhaft aber für die Ostdeutschen: Ihr/unser Leben wurde entwertet. Wir zogen uns zurück – trotz aller Euphorie, die die Einigung für uns alle gebracht hat. Es war auch für uns erlebbar, dass westdeutsche Eliten den Osten und die Firmen im Osten dominierten und dominieren.
Wichtig bei alldem, das haben wir in unserer hoch interessanten Gesprächsrunde unterstrichen: Wenn Petra Köpping sagt „Ich will nicht jammern! Ich will Gerechtigkeit!“ Auch wir wollen nicht, dass unsere Lebensgeschichte, die Lebensgeschichte der Ostdeutschen, nur auf Stasi reduziert wird!
Petra Köpping schreibt: Es steckt ein Stachel der Demütigung im Fleisch vieler Ostdeutscher. Niemand hat die Lebensgeschichten der Ostdeutschen gewürdigt.
Ja, das ist vielfach auch in unserer Runde , in unserem Erleben spürbar. Spürbar aber auch – nicht nur durch dieses Buch - , dass nach dreißig Jahren (!) erstmals in einer großen Breite anerkannt wird, wenn auch oft grüblerisch -, dass auch die Ostdeutschen eine anerkennenswerte Geschichte geschrieben haben, dass sie nicht nur Stasi waren, dass sie interessante Berufe ausübten, sich Wohlstand erarbeiteten, die Kinder eine anerkannt gute Bildung erhielten, die schon in der Krippe begann.
Wir alle Ex-DDRler in der Runde, Heide, Brigitte, Christine, Ingelinde, Hagen, Sigmar, Blacky, Arno, haben über unsere Lebenserfahrungen gesprochen. Wir haben von Hochs und Tiefs in den Familien erfahren. Von einer aufrührenden und berührenden und auch dramatischen Zeit des Umbruchs. Und wir sind beeindruckt, dass eine neue Wende in unserem schönen Deutshland begonnen hat: Dass es überheblich und unfair ist, die Ex-DDR-Bürger nur auf Stasi zu reduzieren.
Übrigens: Eins ist klarzustellen: Wir sind alle froh und dankbar, dass es diese Wende gab!

nomoko

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