Eine alte Geschichte

Vielleicht haben nicht alle diese Märchenerzählung in Erinnerung:

Wir beide hatten schon bessere Zeiten erlebt, die Nachbarin und ich. Jetzt wohnten wir beide in einem großen Wohnblock in kleinen Wohnungen auf einer Etage.
Wir mochten uns, grüßten uns freundlich, mehr war aber nicht und das für eine lange Zeit. Vielleicht lag es an unserem Alter, unsere Sturm-und-Drang-Zeit war lange vorüber.
Eines Tages klingelte ich bei ihr, sie öffnete und sah mich fragend an. Bevor ich etwas sagen konnte, holte sie mich herein und schloss die Tür hinter uns.
"Darf ich Ihnen eine Geschichte erzählen", fragte ich und sie nickte freundlich. "Das geht aber nur liegend und mit großem Vertrauen", fuhr ich zu ihrem Erstaunen fort. Sie schaute mich an, als ob ich nicht alle Tassen im Schrank habe, was zu verstehen war.
"Da geht nur mein Bett, die Couch ist zu kurz und zu schmal, da müssten wir uns aber erst duzen, sonst geht das nicht!" Das war schnell vereinbart und sie führte mich in ihr Schlafzimmer. Dann lagen wir angezogen dicht nebeneinander, ohne Schuhe natürlich, und ich fing an. "Es war einmal ein Mann, der begehrte seine Nachbarin, traute sich aber nicht, es ihr zu sagen." "Schön blöd", hörte ich sie murmeln und fing neu an: "Es war einmal ein Mann, der begehrte seine Nachbarin, traute sich aber nicht, es ihr zu sagen." "Immer noch blöd!", war ihre für mich störende Bemerkung. Also nochmals: "Es war einmal ein Mann, der begehrte seine Nachbarin, traute sich aber nicht, es ihr zu sagen", sagte ich energischer, kam aber auch diesmal nicht weiter, weil ich ihre Lippen auf meinem Mund hatte. In einer Kusspause sagte sie, "du kannst mir dein Märchen später erzählen."