Samstag morgen, halb 7.

Nur wenige Schritte hinter meinem Haus beginnen die Wiesen und Felder mit ihren kleinen Fuhreten dazwischen, die sich zum Spazierengehen geradezu anbieten.
Noch ist das Gras nicht gemäht, weiß glitzernd vom Raureif. Lange werden die Kristalle heute aber nicht halten, denn die Sonne strahlt vom wolkenlosen Himmel.
Wir schlendern so vor uns hin, mein Hund und ich. Der Hund bemerkt die eigentümliche Schönheit diese vermeintlichen Wintergrases nicht, er ist mehr an den deutlich erkennbaren Spuren der verliebten Feldhasen interessiert; Gott sei Dank bemerkt er auch den Langlöffel nicht, der da nur ein paar Schritte entfernt wie hypnotisiert in unsere Richtung starrt.
Bis auf den zu Tode erschrockenen Meister Lampe, einer unermüdlich parlierenden Amsel und einer mißmutig schnarrenden Krähe sind wir allein, mein Hund und ich. Und ich hänge meinen Gedanken nach.
Allein. Wir haben diese Welt an diesem Samstagmorgen für uns, keine Traktoren, verrückte Radler, Jungs, die mit ihren Mofas Trail spielen.
Zuhause wartet niemand auf uns. Seit 21 Jahren sind wir zum ersten Mal wirklich allein in der Wohnung, die plötzlich viel zu groß erscheint.
Ich weiß, dass mein Partner jetzt in besten Händen ist.
Ich weiß, dass erst alles abgeklärt werden muss, alle Möglichkeiten durchdacht, alle Chancen genutzt werden bevor ich mir Gedanken machen kann, ihn nach Hause zu holen für den letzten Weg.
Mein Kummer, ihn nicht besuchen zu dürfen, in dieser Zeit nicht bei ihm sein zu dürfen überlagert täglich mein normales Denken und ich habe das Bedürfnis, etwas zu zerstören. Leider gibt es momentan nicht mal einen einzigen mickrigen Maulwurfshügel. Stellvertretend für mich versucht mein Hund, eine Wühlmaus auszugraben. Nein, ich bin nicht allein.
Ich gönne mir Tränen. Ein Luxus.
Mein Hund schaut mich an, stubst mich an. „Komm, lass uns weitergehen. Vorwärts.“