Sarkopenie: Wenn Muskelabbau krankhaft wird
Mit dem Älterwerden verändert sich unser Körper – dazu gehört auch, dass die Muskelkraft allmählich nachlässt. Ein gewisser Verlust an Muskelmasse ist dabei ganz normal und Teil des natürlichen Alterungsprozesses. Doch wenn der Abbau über das altersübliche Maß hinausgeht und zu deutlichen körperlichen Einschränkungen führt, sprechen Fachleute von Sarkopenie – einer ernstzunehmenden Erkrankung, die häufig unterschätzt wird.

Mehr als ein bisschen Kraftverlust
Sarkopenie ist nicht einfach nur „normales Altern“. Sie beschreibt eine krankhafte Form des Muskelabbaus, bei der Betroffene deutlich an Kraft verlieren, ihre Beweglichkeit eingeschränkt ist und alltägliche Aufgaben zunehmend schwerfallen. Dabei ist es völlig normal, dass die Muskelmasse im Alter leicht abnimmt – etwa ab dem 50. Lebensjahr verliert der Mensch im Durchschnitt rund ein Prozent Muskelmasse pro Jahr. Dieser natürliche Prozess verläuft meist ohne spürbare Einschränkungen.
Bei Sarkopenie dagegen ist der Muskelverlust deutlich stärker ausgeprägt und geht mit funktionellen Einbußen einher: Der Gang wird unsicherer, das Tragen von Einkäufen zur Herausforderung, das Aufstehen vom Stuhl mühsam. Die Folge ist oft ein Teufelskreis aus Bewegungsmangel, sozialem Rückzug und steigender Abhängigkeit im Alltag.
Medizinisch wird die Diagnose gestellt, wenn sowohl die Muskelmasse als auch die Muskelkraft messbar unter bestimmte Grenzwerte fallen. Das unterscheidet die Sarkopenie klar vom natürlichen Kraftverlust, der im Alter zwar normal ist, aber keine funktionellen Einschränkungen mit sich bringt.
Eine stille Volkskrankheit?
Viele Menschen kennen den Begriff Sarkopenie nicht – und doch ist die Krankheit weit verbreitet. Schätzungen zufolge sind in Deutschland mehrere Millionen Menschen über 60 betroffen, Tendenz steigend. Gründe dafür sind unter anderem die zunehmende Lebenserwartung, ein bewegungsarmer Alltag und Ernährungsgewohnheiten, die im Alter oft nicht mehr alle körperlichen Bedürfnisse abdecken.
Die Folgen sind ernst: Neben einer erhöhten Sturzgefahr kann Sarkopenie auch das Immunsystem schwächen und das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes erhöhen. Besonders tückisch ist: Der Krankheitsverlauf bleibt oft lange unbemerkt – bis die Einschränkungen deutlich spürbar sind.
Was hilft – und was nicht

Ein spezielles Medikament gegen Sarkopenie gibt es bislang nicht. Umso wichtiger ist es, frühzeitig gegenzusteuern. Als wirksam gelten vor allem zwei Dinge: gezieltes Krafttraining und eine eiweißreiche Ernährung. Bereits moderate körperliche Aktivität – wie regelmäßiges Gehen, Treppensteigen oder Gymnastik – kann helfen, Muskeln zu erhalten oder sogar wieder aufzubauen.
Auch die Ernährung spielt eine zentrale Rolle. Der Bedarf an Eiweiß steigt im Alter, doch gleichzeitig nimmt der Appetit oft ab. Wer täglich zu Milchprodukten, Hülsenfrüchten, Fisch oder magerem Fleisch greift, unterstützt den Körper aktiv beim Muskelaufbau. Bei Bedarf kann eine Ernährungstherapie helfen, individuelle Lösungen zu finden.
Warum Muskeln auch für die Gelenke wichtig sind
Muskeln und Gelenke arbeiten als Einheit. Damit ein Gelenk stabil, beweglich und schmerzfrei bleibt, braucht es kräftige und aktive Muskulatur. Besonders im Alter spielen gut trainierte Muskeln eine entscheidende Rolle – sie entlasten Gelenke wie Knie, Hüfte oder Schulter und schützen sie vor Fehlbelastungen.
Wenn die Muskulatur durch Sarkopenie abbaut, fehlt diese Unterstützung: Die Gelenke werden instabiler, das Risiko für Verschleiß (z. B. Arthrose), Stürze und bestehende Beschwerden steigt. Wer seine Muskeln stärkt, hilft also nicht nur sich selbst auf die Beine – sondern auch seinen Gelenken.
Früh erkennen – länger selbstständig bleiben
Sarkopenie ist behandelbar, wenn sie rechtzeitig erkannt wird. Deshalb ist es wichtig, erste Anzeichen ernst zu nehmen und mit der Hausärztin oder dem Hausarzt zu besprechen – insbesondere bei zunehmender Schwäche, Gehproblemen oder häufigem Stolpern. Auch Vorsorgeuntersuchungen können Hinweise auf beginnenden Muskelabbau liefern.
Wer rechtzeitig handelt, kann viel gewinnen: mehr Kraft, mehr Sicherheit im Alltag und ein längeres Leben in Unabhängigkeit.
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