Urlaub in Shangri La
18.04.-06.05.2005
Fernweh
Hörst Du das wilde Schlagen
verursacht durch ein altes Herz,
welches qualvoll schon seit Tagen
bereitet diesen klopfenden Schmerz.
Wiedermal schlich sich in mein stilles Leben
Sehnsucht nach der Ferne ein,
löste Neugier aus und auch Bestreben
Gast in einem fremden Land zu sein.
Reise, solange in Dir noch genügend Kraft,
und Mut, und Lust, und Zuversicht,
und wenn Dein Ziel Du glücklich hast geschafft,
so freue Dich,
weil in Dir noch immer brennt dein Lebenslicht.
Verborgenes Shangri La
vom 18.04. bis 06.05.2005
Du willst nach China reisen? Man denkt sofort an Peking, Hongkong, die große Mauer, Guilin, oder an der Schluchten des Yangzi, vielleicht auch an die Terrakotta-Armee.
China ist zwar ein äußerst interessantes Reiseziel, ich jedoch wollte YUNNAN, eine Provinz, zu finden im südwestlichen Teil dieses großen Landes, kennen lernen. YUNNAN wird auch die „Hochebene des ewigen Frühlings“ genannt.
Die Vielvölker-Provinz, mit mehr als 20 verschiedenen Nationalitäten und Minoritäten, war seit Jahren mein Reisetraum.
Ich habe nicht die Absicht über die ganze Reise zu berichten, möchte Euch nur erzählen, was mich besonders fasziniert hat, auch von einem nicht alltäglichen Erlebnis berichten.
Es war eine Studienreise mit 17 Teilnehmern und einem Reiseleiter. Wir lernten das neue und das alte Shanghai kennen.
Danach Flug nach Chengdu, Hauptstadt der Provinz Sichuan. Diese Provinz ist als Chinas Reiskammer bekannt. Das günstige Klima ermöglicht bis zu 3 Ernten im Jahr.
Die Provinz ist wohlhabend, hier lebt man sehr gemütlich, liebt besonders das süße Nichtstun. Trotzdem staunt der Gast über bilder-buchmäßig angelegte Felder und die sprichwörtliche Sauberkeit in den schönen und gepflegten Städten.
In der Nähe der Stadt Chengdu gibt es eine Zuchtstation für Pandabären, die auch wir besuchten. Dieser drollige Geselle ist nämlich vom Aussterben bedroht.
Und schon wieder saßen wir im Flieger und düsten zum nächsten Ziel, nach Kunming. Im Cuihu-Park, dem beliebten Ausflugsziel der Stadtbewohner (5 Mill.), bekommt der Fremde einen ersten Eindruck von der beschwingten Mentalität der hiesigen Bevölkerung, die singend, tanzend, oder beim beliebten Mahjongg-Spiel den Tag genießt, und alles geschieht spontan und freiwillig.
In China waren Pampers und Windeln, zumindest noch 2005, unbekannt. Babys und Kleinkinder trugen „Schnellfeuer-Hosen“. Die Hosen haben einen Rundum-Reißverschluss, den man bei Bedarf öffnet. Mit dieser simplen Technik sind die Kleinen immer trocken und schneller sauber als Pampers-Kinder. Man spart viel Geld, und Pampermüll gibt es auch nicht.
Hauptattraktion Kunmings ist der 120 km von der Stadt entfernte „Steinwald“, den wir natürlich auch kennen lernten. Dorthin fahrend besuchten wir unterwegs Dörfer, wo die Bevölkerung gerade mit der Ernte beschäftigt war. Es gab keine Maschinen, die Ernte und das Dreschen wurde 2005 noch in Handarbeit getätigt.
An den Eingangstüren der Häuser jeder dörflichen Ortschaft kleben Dämonenbilder. Besonders interessant fand ich jedoch eine kleine, an der Tür des Hauses angebrachte Tafel, auf der Sternchen für Leistung, Ordnung, Harmonie und anderes, jedem gut sichtbar, vergeben werden. Sind viele Sternchen auf der Tafel vermerkt, dann ist in diesem Haus vieles in Ordnung.
Ich denke, dass diese Art von Anerkennung gar nicht übel ist.
Der Steinwald, zu dem wir unterwegs waren, befindet sich südöstlich von Kunming, im Autonomen Kreis Lunan der Yi-Nationalität. Die Yi ist eine
von über 20, in der Provinz Yunnan lebenden Volks-Minderheiten.
Die Karstformationen des Steinwaldes entstanden vor 200 Mio. Jahren, als die Erdkruste sich hob und den vorhandenen See absinken ließ.
Wir sind am Ziel. Diese Gegend ist auch für ein lukullisches Gericht sehr bekannt, es ist die Ente. Auch wir genossen diese Spezialität.
Zum Steinwald geht man zu Fuß. Keiner von uns hatte auch nur die geringsten Vorstellungen von dem, was wir anschließend zu sehen bekamen. Unterwegs begeisterten uns die in schöne und farbenprächtige Trachten gekleideten Mädchen.
Der Steinwald hat eine Größe von bis zu 26.000 ha. Es ist ein Irrgarten, ein Labyrinth von bizarr geformten Felsnadeln, die eine Höhe bis zu 30 Meter erreichen können. „Gott, ist das hier schön“.
Wir hatten einen örtlichen Führer, sein Name war Tang, der natürlich bestrebt war keines seiner Schäfchen zu verlieren. Im Wald wimmelte es von Besuchern, es waren durchweg Chinesen. Alles lief geordnet ab. Ich bat Wolfgang, einen Mitreisenden, da mein Mann nicht greifbar war, er möge mich fotografieren. Diese eine Minute genügte, um die Gruppe aus den Augen zu verlieren. Plötzlich war von unseren Leuten niemand mehr zu sehen, überall nur Chinesen, Chinesen, Chinesen.
Öffnete sich irgendwo die Erde und verschluckte die gesamte deutsche GEBECO-Gruppe?
Was tun?
Wolfgang, dessen Frau sich auch in Luft aufgelöst hatte, und ich irrten jetzt ziellos durch dieses riesige Steinlabyrinth, in der Hoffnung, ent-weder die Gruppe oder den Ausgang zu finden. Vergebens unsere Mühe. Es konnte uns auch niemand helfen, da man keine europäische Sprache verstand. Oft schickte man die zwei „Langnasen“ zum Klo, in der Meinung, dass wir diesen Ort suchten.
Wir fanden einen Ausgang, leider den falschen, befanden uns plötzlich in einer Stadt, die genauso groß und fremd für uns wie der Steinwald war.
Was wir beide in dieser Stadt erlebt haben, in der uns niemand verstand, welche Anstrengungen wir unternommen hatten, uns irgendwie verständlich zu machen, wie viel Zeit dabei verrann, das kann sich niemand, auch nicht in seinen kühnsten Träumen vorstellen. Wir zeigten Fotos, die wir mit der Kamera gemacht hatten, nichts half, obwohl die Chinesen uns sehr gern geholfen hätten. Ich war am Verzweifeln, stellte mir in Gedanken vor, verlassen und hungernd durch China trampen zu müssen.
Nach sehr langer Zeit hatte ein Chinese eine Eingebung, befahl uns über eine Brücke zu gehen. Wir taten es. Kurz nach der Brücke kam den zwei Abtrünnigen ein Suchtrupp der Reisegruppe entgegen.
Ende gut, alles gut.
Mein Mann war ruhig, für meine Begriffe viel zu ruhig. Er war entweder froh mich losgeworden zu sein, oder aber ahnte er bereits, dass seine Alte, trotzt großer Hoffnungen, doch wieder auftaucht.
Es war kurz vor 16:00 Uhr als man uns fand, einer Zeit, die für die Rückreise nach Kunming bestimmt war. Was uns verblüffte war die Tatsache, dass man auch ohne die Verirrten die Rückreise unternommen hätte. Ich glaube, nein, bin mir sogar sehr sicher, dass mein Mann dies nicht hingenommen hätte, auch nicht die Frau von Wolfgang.
2005 hatte ich noch keine Digital-Kamera, nur einen Fotoapparat, in den man Filme einlegen musste, kann deswegen keines meiner vielen traumhaften Fotos beifügen. Schade, schade, schade.
Von Kunming ging es per Bus (430 km) in die Stadt Dali (1980m) am Erhai See gelegen.
Dort lebt das Volk der Bai. Die Altstadt besticht durch unzählige kleine Geschäfte und Handwerker-Shops. Ein Ausflug auf die Insel des Sees, wo sich eine Ortschaft der Bai-Minorität befindet, machte uns mit gewissen lukullischen Besonderheiten bekannt. Gegrillte Heuschrecken gefällig? Ich probierte, beim Reinbeißen krachte es so schön.
Auf der gesamten Reise war das Thema „WC“, außer in Hotels, das interessanteste überhaupt. Die Hotelbäder waren mit allem ausgestattet, was der kultivierte Mensch täglich benötigt. Seife, Shampoo und ähnliches sind Standard. Dazu gesellte sich täglich eine neue Zahnbürste, ein Kamm, Rasierzeug, auch Kondome. Für jede Übernachtung gab es ein paar frische weiße Pantoletten.
Sollten also schlechte Zeiten unser Dasein beeinträchtigen, für eine sorgenfreie Bäderkultur sorgt zweifelsfrei Chinas Zahnbürsten- und Pantoffel-Vorrat.
Von Dali ging es nach Lijiang (2600 m). Die Luft wurde immer dünner.
In Höhen, wo unsere Alpen kaum einen Baum vorweisen können, sind hier, auf der Hochebene YUNNANS, fruchtbare Felder zu bestaunen.
Gegen 18:00 Uhr ist Lijiang erreicht. Der Ort machte uns sprachlos. Moderne Häuser, gepflegte Geschäfte, breite, saubere Straßen, schöne Anlagen und ein flottes Publikum, das alles verblüffte uns total.
Das Volk der Naxi!
In Lijiang sind die „Naxi“ beheimatet, deren Herkunft noch immer im Dunkeln liegt. Ethnologen, die sogenannten Völkerkundler, sind seit einigen Jahrzehnten mit der Erkundung der Herkunft dieses Volkes beschäftigt.
Die Naxi haben eine eigene Sprache und Schrift. Ihre Lebens-gewohnheiten und das Sozialverhalten erinnern sehr an matriarchalische Strukturen. Du fragst: „Was ist das“?
Nun, es sind Sitten und Gebräuche, die nur noch bei ganz wenigen Völkern der Erde vorkommen.
Nicht der Mann hat das Sagen, nein, es ist die Frau, welche zwar alle schweren und wichtigen Arbeiten des Alltags verrichten muss, sie dominiert aber das Leben der Familie.
Wie soll man sich das vorstellen?
Bei den Naxi trifft die Frau die Partnerwahl. Ihr Auserwählter wird aber über Jahre hinweg nur die Nächte bei seiner Frau verbringen. Er lebt und arbeitet weiter im Haus seiner Mutter. Weibliche Nachkommen haben ein eigenes Zimmer, damit sie ihre Liebhaber empfangen können. Die Männer dagegen müssen in einem gemeinsamen Raum leben.
Da Männer wenig zu sagen haben flüchten sie gern zu Vergnügungen. Sie sind begeisterte Sänger, Tänzer und Musikanten.
Stell Dir folgendes vor: Der Ehemann einer Frau hat Lust auf etwas Liebelei und mehr, er geht in das Haus seiner Frau, stellt aber fest, dass vor ihrer Kammer ein Paar fremde Herrenschuhe stehen!
Was würde ein Mann unseres Kulturkreises jetzt tun? Oh, arme Frau.
Bei den Naxi ist dies einfach und ohne jegliche Folgen geregelt, denn der Ehemann wartet solange, bis die fremden Schuhe verschwunden sind. Dann ist seine Zeit gekommen, die er natürlich genießt.
Diese Tatsache begeistert mich noch heute.
Die Naxi-Frau arbeitet schwer. Das Rückenpolster ihrer Tracht welches mit Ornamenten verziert ist, die Sonne, Mond und Sterne symbolisieren, soll den Druck der schweren Lasten mildern.
Lijiang hat uns nicht nur begeistert, wir waren fasziniert, verzaubert. Im Theater erlebten wir Volkskunst der Sonderklasse. Eine Gondel brachte uns in das Jade-Drachen-Gebirge bis auf 4506 Meter hoch. Das zu verkraften war nicht ganz einfach. Der Besuch bei einer einheimischen Familie war auch ein besonderes Erlebnis.
Danach folgte eine 2-Tageswanderung durch die Tigersprungschlucht.
Am ersten Tag musste der reißende Yangzi überquert werden. Alles war sehr, sehr anstrengend.
In der Gruppe gab es einen Robert aus Augsburg. Er spendierte nach dem Abendessen eine „Flasche“. Die Männer erhoben sich und tranken auf das Wohl der tapferen Frauen. Unsere Revanche folgte postwendend. Man prostete sich durch den lauen Bergabend, vergaß dabei sämtliche Strapazen des Tages.
Irgendwann war Bettruhe angesagt. Die „Kammern“ waren keine Luxus Suiten, aber ein sauberes Bett bekam jeder. Pinkeln und Zähne putzen fand außerhalb der Suiten statt. Der Weg dorthin war umständlich und dunkel. Hier hätte sich ein Nachttöpfchen bewährt.
Sämtliche Geräusche, durch was auch immer verursacht, wurden bei den Nachbarn wahrgenommen. War da nicht ein wohllustiges Stöhnen aus der vordersten Kammer zu hören? Vera und Harms hatten ein französisches Bett, wen wundert`s also?
Der zweite Wandertag durch die Schlucht verlief weniger anstrengend.
Das nächste Ziel war Zhongdian, in 3.300 m Höhe gelegen. Es ist zwar noch China, aber auch schon Tibet. Hier waren wir auf der Suche nach dem „SHANGRI La“, dem eigentlichen Ziel der gesamten Reise.
Von hier ging es per Flug in die Hauptstadt Thailands, nach Bangkok, wo
die restlichen Reisetage verbracht wurden.
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Vielleicht macht es dem einen oder anderen von Euch Spaß diese sehr kurze Darstellung meiner Reise zu verfolgen.
Es grüßt Ursula
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