Ist es Demenz? Die Diagnose
Wenn wir an Demenz denken, fällt uns oft als Erstes Vergesslichkeit ein. Das ist eines der typischen Anzeichen – aber die Krankheit hat viele weitere Gesichter. Alltagsgegenstände landen an ungewöhnlichen Orten. Gespräche werden beschwerlich, wir ringen nach Worten oder verlieren den Faden. Konzentration lässt nach. Selbst vertraute Wege können plötzlich unbekannt erscheinen. Auch die Stimmung verändert sich: Von gereizt und impulsiv bis hin zu niedergeschlagen – vieles ist möglich. Nach und nach wandelt sich die Persönlichkeit.
Als Angehörige merken wir, dass sich etwas verändert. Immer wieder beschleicht uns ein mulmiges Gefühl, das sich nicht so leicht abschütteln lässt. Sorgen kommen auf. Und doch schieben wir den Gedanken oft beiseite. „Papa und Demenz? Das kann doch nicht sein. Wahrscheinlich ist er einfach nur überlastet.“ Solche Sätze habe ich in Gesprächen mit anderen Angehörigen oft gehört – und vielleicht hast auch Du Ähnliches gedacht.
Es fällt schwer, sich mit dem Verdacht auseinanderzusetzen. Und noch schwerer ist es, das betroffene Familienmitglied zu überzeugen, ärztlichen Rat zu suchen. Trotzdem ist genau das entscheidend. Denn nur so lässt sich abklären, ob es wirklich eine Demenz ist – oder vielleicht etwas anderes, das behandelt werden kann. Konzentrations- und Gedächtnisstörungen können zum Beispiel auch durch Bluthochdruck verursacht werden.
Natürlich macht eine Demenz-Diagnose Angst. Sie konfrontiert uns mit vielen Unsicherheiten. Doch sie bringt auch Klarheit. Und das ist wichtig – für alle Beteiligten. Denn wer die Diagnose kennt, kann gezielt Unterstützung suchen. Medikamente oder Therapien können helfen, den Verlauf zu verlangsamen oder Symptome zu lindern. Familien haben die Möglichkeit, noch gemeinsam wichtige Entscheidungen zu treffen: zu Finanzen, zur Gesundheit, zur rechtlichen Vorsorge. Und wir als Angehörige können frühzeitig Hilfsangebote nutzen und uns das nötige Wissen aneignen.
„Als die Diagnose feststand, war ich auf eine seltsame Weise erleichtert.“ Diesen Satz habe ich von einer pflegenden Angehörigen gehört – und er ist mir im Gedächtnis geblieben. Denn so widersprüchlich er klingt: Er beschreibt gut, was viele empfinden. Erst wenn wir die Realität anerkennen, können wir einen Umgang mit der Krankheit finden. Wir lernen, Veränderungen im Verhalten nicht persönlich zu nehmen, sondern als Teil der Demenz zu begreifen. Das kann im Alltag vieles erleichtern – Missverständnisse vermeiden, Stress reduzieren, Konflikte entschärfen. Und letztlich: das Zusammenleben menschlicher machen.
Désirée von Bohlen und Halbach
Gründerin und Vorstandsvorsitzende Desideria e.V.
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