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September 2008 - Ein Wendepunkt in der Geschichte


Der Monat September des Jahres 2008 wird in der Geschichte Suedafrikas und der Weltgeschichte herausragen, denn selten sind so entscheidende Veraenderungen in so kurzer Zeit geschehen.

Suedafrikas politische Landschaft erlebte die Abberufung von Praesident Thabo Mbeki und einen Richtungswechsel in der fast 100 jaehrigen Geschichte der moralischen und politischen Vorbildfunktion des ANC. Persoenliche Interessen wurden erstmals deutlich vor das Allgemeinwohl gestellt.

Auf dem internationalen Parkett erleben wir den Zusammenbruch der US Wirtschaft, wie wir sie kennen und sehen wie sehr sich diese Ereignisse auch auf andere Teile der Welt auswirken.

Beide Ereignisse sind in keiner Weise verknuepft, aber sie zeigen auf erschreckende Weise, wie schnell sich zuvor als quasi unverrueckbare Grundpfeiler des Gesellschaftbildes veraendern koennen. Waehrend sich die amerikanische Wirtschaftskrise sofort auch auf Deutschland auswirkt, werden die Ereignisse in Suedafrika und dem suedlichen Afrika im fernen Deutschland kaum wahrgenommen und in ihrer Tragweite fuer die Zukunft leider voellig unterschaetzt. Ich moechte mit den folgenden Ausfuehrungen versuchen einen Einblick in die afrikanische Situation von innen geben und fuer die amerikanischen Ereignisse kann eine Sicht von aussen vielleicht helfen Dinge klarer zu sehen und Konsequenzen besser zu erkennen.

Das politische Erdbeben, welches seinen bisherigen Hoehepunkt mit der Abberufung von Praesident Mbeki durch das NEC (national executiv commity) des ANC stellt einen in der Geschichte Suedafrikas einmaligen Vorgang dar. Um die Ereignisse zu verstehen muss man einige Jahre weit zurueck in die Vergangenheit schauen. Nach dem Ende der Apartheit und der Aufhebung des internationalen Handelsembargos beschloss die junge Demokratie die Modernisierung der veralteten Ausruestung fuer die Streitkraefte. Es ging dabei nie um die Errichtung einer Armee. Die sich auf einem moeglichen Angriff gegen unsere Nachbarlaender vorbereiten wuerde, sondern um Fregatten und U-Boote zur Kontrolle unserer Gewaesser und die Ausstattung der Luftwaffe und der Armee fuer die verschiedenen Friedensmissionen unter der Leitung der UN und der AU (African Union) in Afrika. Eine solche gewaltige Ausgabe des Landes hat leider auch die internationalen Schmiergelder angezogen, denn die meisten europaeischen Ruestungskonzerne sehen dies als legitimes Mittel zur Staerkung ihrer Geschaeftsposition an. Im Laufe der naechsten Jahre wurde eine ganze Reihe von bestechlichen Politikern in Suedafrika entlarvt und sie wurden ihrer Aemter enthoben und sie mussten die Gelder und andere Vorteile wieder abgeben. Eine der wichtigsten Persoenlichkeiten in diesem Skandal ist Jacob Zuma, er wurde aus dem Amt des stellvertretenden Praesidenten des Landes entlassen, nachdem sein Finanzberater angeklagt und zu einer langen Haftstrafe verurteilt wurde.
Seit mehreren Jahren versucht Zuma nun bisher erfolgreich mit allen juristischen Mitteln und Tricks zu verhindern, dass er selbst vor Gericht gestellt wird.

Zuma ist der typische populistische Fuehrer der Massen und dabei ein interlektuelles Leichtgewicht. Er wurde von drei der einflussreichsten und maechtigsten Organisationen des Landes zur gemeinsamen Fuehrerfigur aufgebaut. COSATU (die maechtige Gewerkschaft), die kommunistische Partei und die Jugendorganisation des ANC sehen in der Person von Jacob Zuma ihrer Schluessel zur Macht.

Mbeki hatte diese drei wichtigen Kraefte mit seiner sehr klaren and sachlichen Regierungspolitik enttaeuscht und vor allem er hat es geschafft sie von der eigentlichen Macht fernzuhalten. Der ANC sah Ende letzten Jahres die ersten deutlichen Anzeichen einer politischen Spaltung in zwei Lager. Diese Lager polarisierten sich um die Person von Thabo Mbeki und Jacob Zuma.

Nun muss man verstehen, dass der ANC nicht als politische Partei gegruendet wurden sondern als Widerstandsbewegung gegen die Apartheitsregierung. Dieser Umstand reflektiert sich bis heute in den Strukturen und der Verteilung der Macht innerhalb des ANC wider.

Das Zuma Camp schaffte es mit den Versprechen ihres Kandidaten viele Delegierte zu gewinnen. Es war ein Kampf der einen politischen Helden des einfachen Volkes auf der einen und einen intellektuellen Staatsmann mit der Liebe fuer Geschichte und Gedichte in seinen Reden auf der anderen Seite sah. Die lauten Kraefte um Zuma schafften es die leisesten Kraefte um Mbeki zu uebertoenen und Zuma wurde zum Praesidenten des ANC gewaehlt. Von diesem Moment an hatte das Land zwei faktische Zentren der politischen Macht. Die Gruppe um Zuma setzte nun zielstrebig zum Grossangriff auf die Uebernahme der politischen Gewalt in Form der Regierung an. Da Zuma immer noch durch eine ganze Reihe von schwebenden Gerichtsverfahren gegen ihn nicht selbst sofort nach dem hoechsten Amt greifen kann wurde sein Stellvertreter Motlanthe erst mit viel Druck ins Kabinett befoerdert, um einen reibungslosen Uebergang in der fuer 2009 anstehenden Wahl sicher zu stellen. Mbekis Zeit als Praesident war durch die Verfassung auf auf zwei Wahlperioden von je fuenf Jahren begrenzt.

Durch den Urteilsspruch in einem Verfahren gegen Zuma – der Richter entschied, dass das Buero des Generalstaatsanwaltes einen moeglichen Formfehler im Verfahren gegen Zuma begangen habe – sahen sich die Vertreter des Zuma Camps in der Lage die Gunst der Stunde zu nutzen. Das NEC des ANC wird inzwischen von den Anhaengern Zumas dominiert und muss leider als Gruppe von Menschen beschrieben werden, die ihre persoenlichen und wirtschaftlichen Vorteile als Leitschnur fuer ihre Entscheidungen nehmen, beschlossen Mbeki abzuberufen. Es wurden dabei keinerlei Belege fuer ein moegliches Fehlverhalten des Praesidenten praesentiert und es wurde ihm auch keine Chance der persoenlichen Rechtfertigung gegeben.

Mbeki sah sich nun in der Situation, dass er auf einem foermlichen Amtsenthebungsverfahren haette bestehen koennen, dass das Land mit Sicherheit in eine laengere politische und wirtschaftliche Krise gestuerzt haette oder dass er der Weisung seiner Partei Folge leistet. Er hat sich zum Wohle des Landes fuer den zweiten Weg entschieden.

Er ist nun allerdings dabei das ausloesende Gerichtsurteil vor dem hoechsten Gericht des Landes anzufechten. Im Falle eines Erfolges seines Antrages wird sich Zuma sofort wieder auf der Anklagebank wiederfinden.

Ein Drittel der Minister und Staatssekretaere hat zusammen mit Mbeki den Ruecktritt eingereicht und damit ihrem Unmut ueber die Entscheidung des NEC Ausdruck verliehen.

Am 25. Septmeber wurde Motlanthe als dritter Praesident Suedafrikas vereidigt. In seiner Antrittsrede versprach er eine Fortsetzung der Poltik seines Vorgaengers auf nationaler und internationaler Ebene.

Der Kampf zwischen Zuma und Mbeki geht weiter und es mehren sich erste Anzeichen, dass sich der ANC kurz vor seinem 100 jaehrigen Geburstag am Rande einer massiven Spaltung befindet.

Fuer den Mann auf der Strasse hat dieser politische Kampf bisher keine spuehrbare Auswirkungen und die Lage im Land ist ruhig. Schon melden sich erste Stimmen aus dem Zuma Lager, die beginnen sich gegen Motlanthe in Position zu bringen, denn sie wollen Zuma in der Position des Praesidenten des Landes sehen, damit sie endlich beginnen koennen, die Fruechte ihrer Unterstuetzung fuer ihren Kandidaten zu ernten.

Suedafrika erlebt zurzeit den Uebergang der ehemaligen Befreiungsbewegung ANC in eine politische Partei. Die Zukunft wird zeigen wie diese Zerreissprobe gemeistert werden wird.

Ohne jeden Zweifel kann man schon heute sagen, dass der September 2008 ein entscheidender Meilenstein in der Geschichte Suedafrikas ist.

Ich weiss dass diese Ereignisse an den Menschen in Deutschland recht spurlos voruebergehen, denn sie sind ja recht weit weg. Leider gehen aber auch andere Ereignisse in Afrika ebenso spurlos an Deutschland vorbei. Im Moment sind eine ganze Reihe von Afrikanischen Staaten dabei sich ihre neuen strategischen Partner fuer die wirtschaftliche Entwicklung der einzelnen Laender zu suchen. Hier geht es um riesige und zukunftsentscheidene landwirtschaftliche Projekte, die die Weltmaerkte nachhaltig beieinflussen werden, aber auch um Industrieprojekte, die mit ihren Investitionsvolumina vergleichbare Projekte in Deutschland bei weitem in den Schatten stellen. Afrika braucht und sucht ehrliche Partner fuer die Zukunft. Leider sieht es sehr danach aus als wenn die deutsche Seite die Entwicklung voellig verschlafen wuerde.

Im Moment schaut Europa und damit auch Deutschland wie ein aengstliches Kaninchen auf die Schlange USA, ohne zu begreifen dass wir hier eine ehemals grosse Nation im Kampf ums nackte Ueberleben sehen. Der amerikanische Traum vom schnellern Geld zerplatzt vor aller Augen, aber noch will die Welt nicht glauben, dass auch eine Supermacht, wie die USA sterblich ist. Dabei sollten doch die Zusammenbruechte der Volkswirtschaften in Japan und der ehemaligen Sowjetunion uns gezeigt haben, dass auch riesige Wirtschaftsmaechte recht schnell kollabieren koennen.

Der grosse Unterschied im Fall der USA liegt in der Tatsache, dass diese es geschafft haben den groessten Teil der Weltwirtschaft mit ihrer heimischen Wirtschaft zu verknuepfen, sprich die Zusammenbrueche der Grossbanken und Konzerne haben auch immer gewaltige Folgen ueber die Grenzen der USA hinaus. Der Traum oder besser Albtraum von der unendlichen Geldvermehrung kommt zu einem boesen Ende und es bleibt nur noch die Auswahl, wollen wir ein Schrecken ohne Ende oder ein Ende mit Schrecken?

Afrika ist bisher relativ wenig von den Vorgaengen sind en USA beeinflusst worden, denn die Verknuepfungen sind bei weitem nicht so eng und intensiv, wie z.B. in Deutschland.

In Suedafrika hatten wir auch eine Zeit des ungebremsten Konsums und der stetig steigenden Immobilienpreis. Aber seit fast zwei Jahren hat unsere Reservebank mit stetig steigenden Leitzinsen massiv gegen diese Entwicklung gesteuert und es ist gelungen die Wirtschaft vor den Folgen der Ueberhitzung zu bewahren. Es war und ist ein schmerzlicher Weg fuer jeden Einzelnen, aber zum Wohl des Landes und wir koennen sehen, dass es ein Weg ist, der uns vor den Folgen, wie sie jetzt in den USA passieren bewahrt hat. Im gleichen Zug wurde das Steuersystem in Suedafrika in vielen entscheidenden Punkten stark vereinfacht. Das Formular fuer die persoenliche Einkommenssteuererklaerung wurde auf zwei DIN A4 Seiten reduziert und es ist erst ab einer gewissen Einkommenshoehe ueberhaupt noetig eine solche Erklaerung abzugeben. Interessanter Weise hat diese Aenderung zu deutlich hoeheren Steuereinnahmen gefuehrt, denn nun kann sich die Steuerbehoerde wirklich auf die Faelle konzentrieren, wo es um die wirklich grossen Betraege geht. Trotz einer deutlichen Steigerung der Zahl der Menschen, die durch das zahlen von Steuern zum Wohl des Landes beitragen konnte die Finanzbehoerde es ohne nennswerte Personalaufstockungen bewaeltigen die Antraege zeitnah zu bearbeiten. Die Konzentration auf die wichtigen Steuerzahler hat sich als Schluessel zum Erfolg erwiesen.

Die Wirtschaft waechst hier immer noch um fast 5 % im Jahr und das trotz eines Leitzinssatzes von fast 15 %. Dies sind Bedingungen, die recht deutlich zeigen, dass die westliche Welt eigentlich noch eine ganze Menge von Afrika lernen kann.

Wer in der heutigen Welt Afrika nicht sehr aufmerksam beobachtet und ernst nimmt, kann sich schnell in einer Lage wiederfinden, die nicht so gut ist. Das System der Wirtschaften der westlichen Welt erlebt den Zusammenbruch der Supermacht USA, dies wird geopolitische Veraenderungen von bisher unbekanntem Ausmass nach sich ziehen. Jetzt ist die Zeit die persoenlichen Querelen und das Provinzdenken beiseite zu stellen und nach neuen Partnern fuer die Zukunft zu suchen.

Ich kann nur hoffen, dass ich mit diesem Beitrag wieder einmal den einen oder anderen etwas zum nachdenken gebracht habe. Nachdenken fuehrt zum Verstehen und verstehen sollte dann auch zum Handeln fuehren.


Wie immer sind eure Fragen und Kommentare herzlich willkommen
Denis – September 2008

Autor: denis2010

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