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Wenn Trauer wütend macht

Auf einmal ist sie da, eine unbändige Wut. Das Herz rast und es fühlt sich an, als wollte man auf etwas einschlagen oder einfach nur noch schreien. Es ist fast schon Hass, der da in einem aufzublitzen scheint. Dieses Gefühl kennen viele Trauernde, auch wenn ihr manchmal wenig Raum eingeräumt zu werden scheint. Dabei ist Wut nach einem Todesfall normal.

wütender Senior

Wut – gegen alles und jeden

Bei Trauer denken viele an Tränen, Verzweiflung, aber auch Stille und Sprachlosigkeit. Das alles kommt vor. Aber dann ist da eben auch dieser unbändige Zorn. Gerade Menschen, die vorher vielleicht eher der ruhige Typ waren, die selten aus der Haut gefahren sind, erschrecken oft vor sich in diesen Situationen.

Diese Gefühle kommen nicht von ungefähr. Eigentlich birgt jeder Verlust das Potential für Wut in sich, aber nirgends ist der Verlust so groß wie durch den Tod. Dementsprechend zeigt sich das auch in der Intensität der Emotionen. Und es kommt viel zusammen. Da sind zum einen die Ungerechtigkeit und das Unverständnis darüber, dass dieses Schicksal nun einen selbst getroffen hat. Zum anderen aber bricht die Wut vor allem dann ihren Bann, wenn die eigentliche Verarbeitung des Verlusts beginnt und damit einhergehend eben auch die Anerkennung der Situation: Die geliebte Person ist für immer verloren. Es ist gleichzeitig ein Akt der Rebellion, ein sich Auflehnen und vor allem die Ablehnung der Situation.

Jeden kann es treffen

Frau, die wütend vor dem PC sitzt

Ziel der Wut kann jeder sein: Das glückliche Paar, das einem auf der Straße entgegenkommt und eben das hat, was man selbst verloren hat. Der oder die Verstorbene selbst, der einen alleine gelassen hat. Das Umfeld, das einen gefühlt im Stich lässt oder nicht genug Verständnis aufweist. Häufig richtet sie sich auch gegen Helfer, denen man zuschreibt, dass sie nicht genug getan hätten. Nicht selten kommt es vor, dass man die größte Wut gegen sich selbst verspürt. Letzteres zeigt sich oftmals in Gedanken wie „Ich hätte es früher bemerken müssen“ oder „Was wäre, wenn ich…“.

Und so schnappt man nach Menschen, die einfach nur da sind oder schreit wegen Kleinstigkeiten, die vor dem Tod des Anderen niemals auch nur mehr als Stirnrunzeln wert gewesen wären. Man hat das Gefühl, sich selbst nicht mehr zu erkennen und jemand anderes zu werden.

All diese Gefühle müssen objektiv gesehen nicht stimmen. Aber genau in diesem Moment sind sie wahr, denn sie werden gefühlt. Und genau deshalb hat die Wut auch ihre Berechtigung, denn sie ist da. Und ein Ignorieren hilft genauso wenig wie das Verdrängen. Im schlimmsten Fall schlägt sie dann nämlich später umso stärker und unberechenbarer zurück.

Wohin mit der Wut?

Frau, die mit schlechter Laune da sitzt

Das Wichtigste ist erst einmal, sich die eigene Wut zuzugestehen. Es ist völlig in Ordnung, in einer solchen extremen und kräftezehrenden Situation zornig zu sein. Es handelt sich um eine natürliche Reaktion des Gehirns auf den Stress. Nichtsdestotrotz sollte man versuchen, sich dessen, was passiert, bewusst zu werden. Das kann konkret bedeuten, sich die rationalen Aspekte zu verdeutlichen und sie der eigenen Emotionalität gegenüberzustellen. Natürlich ändert das nichts an den Gefühlen per se, aber sie werden zumindest in eine andere Perspektive gerückt.

In der Trauerarbeit gibt es verschiedene Ansätze, um mit dieser Wut umzugehen. Generell kann eine Therapie extrem hilfreich sein, denn anders als Freunde und Familie wissen Therapeuten mit all den komplexen Emotionen umzugehen und nehmen sie niemals persönlich, weil sie eben eine Distanz haben. Andere Möglichkeiten sind das tatsächliche Ausschreien der Gefühle im Wald. Manche Menschen berichten, dass sie ihre Wut im Auto herausgeschrien haben, andere wiederum haben über Monate ihr Kissen mit Fäusten malträtiert, bis es besser wurde. Ein weiterer Ansatz ist das Aufschreiben der Gefühle, etwa in Briefen oder Tagebüchern. Sie können auch das Chaos der Gedanken eins zu eins wiedergeben, sie müssen keinen Sinn ergeben, sondern dienen schlichtweg nur dazu, den Kopf zu leeren und die zu viel gewordenen Gefühle stattdessen auf Papier zu bannen.

Fazit

Wut ist ein Ausdruck des Kampfes. Und Trauern ist kämpfen, da muss man sich nichts vormachen. Es kommt so viel zusammen, auf so vielen Ebenen, da geht man nicht einfach durch. Man muss den Verlust verkraften, sich aber auch selbst in seiner Rolle ohne die andere Person wiederfinden. Dazu kommen konkrete Herausforderungen des Alltags wie das Beantragen der Witwenrente oder die auf einmal zu groß gewordene Wohnung. Und Wut weckt erst einmal Energie, wenn auch nur zeitlich limitiert. Wut zeigt, dass man selbst lebt und ja, Trauer darf auch laut sein. Nur sollte man sich auch hier Begleitung suchen und nicht versuchen, alleine mit sich und der Wut leben zu müssen.

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