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Die Grenze in der Familie

Mitglieder berichten über den Mauerbau

Als ich Anfang August 1961von meinem Oberarzt in einem Gespräch unter vier Augen zum bevorstehenden Mauerbau angesprochen wurde und er mir offen erklärte, dass er jetzt die letzte Chance nutzen wollte diesen ungeliebten maroden Staat zu verlassen, denn eine undurchdringliche Mauer würde dieses in Zukunft unmöglich machen. Wir diskutierten, ich konnte ich es einfach nicht glauben: Das ist doch unmöglich - schon praktisch unmöglich - man kann Berlin mit seinen Verkehrswegen: S-Bahn, U-Bahn, Straßen und Wasserwegen nicht einfach zerteilen! Das wäre das endgültige Ende der DDR - niemand würde sich das gefallen lassen. Das gäbe Aufstand! Ulbricht hatte breit und deutlich erklärt: "Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen!" Schließlich war ich mir in allem nicht mehr so sicher und musste ständig daran denken, dass es auch meine letzte Chance wäre – jetzt: wie die täglich Tausenden - müsste ich die Kinder zu nehmen und die S - Bahn besteigen: nur 3 Stationen - Gesundbrunnen- West-Berlin -und nicht zurück! Meinen Ehemann Dieter hatte ich in meinen Vorstellungen schon längst verlassen. Er hatte sich zu einem zuverlässigen Genossen und Kampfgruppenmitglied entwickelt. Er duldete nicht einmal mehr eine westliche Modezeitschrift in unserem Haushalt und war jedes Wochenende zum Kampfgruppeneinsatz. Als ich dann eine Pistole am Boden unseres Einbauschrankes fand, war ich erschrocken und aufgewühlt von der Frage, ob ich ihn von dem Fund erzählen und offen nach seiner neuen Tätigkeit fragen sollte. Schließlich hatten wir vor nicht allzu langer Zeit gemeinsam auf die Anfrage der Staatssicherheit nach einer Mitarbeit diese abgelehnt. Über den kurzen Besuch dieses mir unbekannten Mannes sollten wir und haben wir Stillschweigen gehalten. Für mich war der Fall erledigt, ich hatte aus Widerwillen "nein" gesagt. Dieter hatte sich meiner Verweigerung angeschlossen, da er vor mir nichts geheim halten könne und das wäre die Bedingung gewesen, wenn ich nicht bereit wäre, mich selbst dieser neuen Aufgabe zu stellen. Unvorstellbar, dass ich meine Kollegen anschwärzte, die offen mit mir über alles sprachen. Welch Wahnsinn, dass dieser Oberarzt mir am Tag vor seiner geplanten Flucht davon erzählte. Er hatte viel riskiert und auch ich hätte kein Pardon bei den Stasi-Genossen zu erwarten gehabt, wenn irgendjemand etwas von unserem Gespräch mitbekommen hätte und es weiter gemeldet hätte. Es hätte eine Andeutung gegenüber meinem Ehemann gereicht, um diesen Fluchtversuch zu vereiteln. An all das dachte ich damals aber gar nicht, da ich allzu sehr mit meinen eigenen Überlegungen zu einer Flucht beschäftigt war. Aber ich hielt es eben einfach für unmöglich, dass sich dieser Staat durch Schaffung einer undurchlässigen Grenze zum Westen seine Bürger, die ihm davonliefen, einfach einzuschließen. Schließlich traute ich den Genossen diese Absicht auch zu, aber ich hielt sie einfach für undurchführbar. Aber da war diese Pistole, mit der ich wusste, dass die Gewaltlösung der Genossen bevorstand! Ich suchte meine Papiere zusammen, die ich für einen Start im Westen brauchen würde. Ich müsste einfach wortlos mit meinen zwei Kindern verschwinden. Dann kam die Angst vor dem ungewissen Neuen. Niemanden konnte ich fragen! Mein Oberarzt hatte sich schon erfolgreich abgesetzt und ich war froh darüber, denn bereits der Verdacht seiner Absicht bei der Stasi hätte ihn eher in den Knast gebracht - und schließlich war ich Mitwisserin und er hätte glauben können, dass ich ihn verraten hätte. Dann fing ich an zu grübeln und rechnete mir meine Chancen aus: Allein mit zwei Kindern im Alter von drei und einem Jahr. Meine ärztliche Tätigkeit hatte ich gerade 1 1/2 Jahre ausgeübt und man hatte mir Mut gemacht, die Facharztausbildung für Chirurgie zu beginnen. Mit der Geburt meines zweiten Kind hatten wir jetzt eine komfortable 2 1/2 Zimmerwohnung - und ich sollte zufrieden sein. Die Kinder waren während meiner Tätigkeit und auch in den Nachtdiensten in der Kinderkrippe versorgt. Wie sollte ich als Alleinerziehende im Westen, wo es derartige Einrichtungen nicht gab, meine Kinder unterbringen? Es gab da keine Verwandten! Die Lager waren überfüllt! Und während ich überlegte passierte es - der 13. August 1961! Ich hörte noch in der Nacht zum Sonntag, dem 13. die Ansagen im Radio: "Achtung! Achtung! Eine besondere Mitteilung der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik!"…Grenzsicherung… Maßnahmen... Ich war wie gelähmt - War es doch möglich? - Was kommt jetzt? Das Telefon klingelte - Dieter war sehr schnell dran - sein Einsatzbefehl! Er nahm seine Pistole, schlüpfte in den Kampfanzug und ich hörte nur noch die Tür ins Schloss fallen. Zuverlässig war er - der Genosse Dieter - und stolz, wie er mit geladener Pistole in der Reihe der Kampfgruppeneinheit hinter den Soldaten mit geschultertem Gewehr stand, die die aufgebrachten DDR-Bürger in Schach halten sollten. Nur die Gewehre der Soldaten waren nicht geladen! Dieser Staat wusste eben auf wen er sich verlassen konnte!

Hier geht weiter mit den schicksalhaften Erinnerungen zum 13. August 1961

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Politik

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